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Eifel-Müll

Eifel-Müll

Titel: Eifel-Müll
Autoren: Jacques Berndorf
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ERSTES KAPITEL
    Jedes Mal, wenn die kleine Britney Spears mit ganz verruchter Gauloises-Stimme I can't get no satisfaction singt, habe ich das Gefühl, mein Eisfach versuche mir klarzumachen, dass es mich hemmungslos liebt.
    Also, Britney röhrte durch mein Haus, draußen herrschten blauer Himmel und Schäfchenwölkchen. Ein paar wild gewordene NATO-Krieger spielten in ihren Jets Fangen und mühten sich, die vorgeschriebene Höhe von mindestens dreihundert Metern zu unterschreiten, weil das so schön kreischt.
    Pfarrer Eich rollte in seinem dunkelblauen Ford vor dem Haus vorbei und grüßte in mein Arbeitszimmer. Er ist meines Wissens der einzige katholische Geistliche in der Eifel, der es fertig bringt, auf eine viel befahrene Kreuzung zu gleiten und dabei nach allen Seiten zu winken, ohne zu bemerken, dass die andere Seite Vorfahrt hat. Er ist eben liebenswert und hat den Vorteil des Bodenpersonals, dem stets ein Engel auf der Schulter hockt, der sanft bremst.
    Es war Juni, der Ginster blühte noch, die Eifel explodierte in Grün – streng nach internationalen Regeln: Irland hat vierzig Sorten Grün, die Eifel fünfzig und Indien tausend. Gisbert Haefs hat das bei der Recherche für seinen Roman Raja herausgefunden, seitdem sagen die Eifler: Wir sind weltweit an zweiter Stelle. Dabei grinsen sie diabolisch.
    Ich war von Herzen glücklich, was damit zu tun hatte, dass ich allein im Haus war und mir schon nur die Möglichkeit einer unbegrenzten freien Ausdehnung ein massiv zärtliches Gefühl im Bauch bereitete – obwohl es schwierig ist, zwei Lokusse gleichzeitig zu besetzen. Immerhin konnte ich mich rasieren und zwischendurch mit Schaum im Gesicht schnell einmal am Billardtisch versuchen, einen Stoß über drei Banden hinzubekommen. In solchen Situationen gewinne ich grundsätzlich.
    Das Leben war klar, fast durchsichtig heiter. Ich dachte pausenlos positiv und hätte in diesem Zustand vermutlich sogar ein Interview mit dem Papst in Rom durchgestanden, ohne auffällig zu werden. Meine Seele spielte unaufhörlich einen langsamen Walzer mit etwa siebenundvierzig Streichern und sechs fantastisch schönen Frauen an goldglänzenden Harfen. Das war morgens gegen elf Uhr.
    Irgendwo im Haus jaulte der junge Hund Cisco erbärmlich. Er war jetzt etwa anderthalb Jahre alt und das Versprechen, es handle sich um einen Schäferhund, hatte Mama Natur nicht eingehalten. Nach allgemeiner Ansicht war Cisco eine Mischung aus Schäferhund, Spitz, Dackel, Boxer und einem Eifler Vorstehhund der Marke 1870. Er hatte merkwürdig lange, leicht gekrümmte Beine, einen Ringelschwanz wie ein Ferkel und Augen wie ein Labrador: eisgrau. Er war ein eindrucksvolles Stück Gemüt und wir liebten uns intensiv.
    Wenn er jetzt jaulte, hieß das nicht, dass er verzweifelt um sein Leben bettelte. Er bettelte vielmehr, dass der Hausherr kommen möge, ihn zu kraulen. Gehorsam latschte der Hausherr die Treppen hoch und fand Cisco im Dachgeschoss auf seiner Wolldecke liegend, Bauch nach oben, Läufe anmutig angewinkelt, Schnauze zur Seite, Augen geschlossen. Ich hockte mich neben ihn, murmelte »Guten Tag« und kraulte wie befohlen. Er seufzte aus tiefster Seele und schlief wieder ein. Vor etwa dreizehn Uhr war mein Cisco nicht lebensfähig.
    Ich ging in den Garten, um am Teich ein paar Züge zu rauchen und mir zu überlegen, ob ich auf Willis Grab einen besonders schönen Stein legen sollte. Willi, mein Kater, hatte unlängst das Zeitliche gesegnet, war einfach im hohen Gras umgefallen wie jemand, der todmüde ist. Infarkt bei Katzen gibt es, hatte mir jemand lakonisch erklärt. Ich hatte Willi unter dem Apfelbaum begraben, der in diesem Jahr die ersten Blüten angesetzt hatte.
    Die Kater Paul und Satchmo waren mir geblieben. Die beiden lagen dicht an der Efeuhecke, Arsch in der Sonne, Kopf im kühlen, schattigen Gras. Edelrentner gewissermaßen, die träge durch den Tag taumelten und nicht einmal nach der Fliege schlugen, die ihnen auf der Nase tanzte.
    Die Amseln, die hoch unter meinem Dach, am Fuß des Sattels einen sicheren Platz für ihr Nest gefunden hatten, führten ihre zwei Jungen ins Freie, um ihnen beizubringen, wie Amseln überleben. Sie machten einen Heidenlärm, weil sie so aufgeregt waren, und im Geiste hörte ich die Mutter streng tschilpen: »Ich habe gesagt: Vorsicht! Vorsicht habe ich gesagt!«
    Gegen zwölf Uhr etwa setzte mein positives Denken aus, denn mich erreichten in kurzen Abständen drei Anrufe. Der erste kam von der Bank.
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