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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes
Autoren: Tatjana Stepanowa
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anfangen. So wollte sie nicht mehr an die Brüder denken. Nach allem, was Dmitri getan hatte, durfte sie ihn nicht mehr bemitleiden.
    »Aber weshalb stand Lisa Dmitri im Weg?«, fragte Sergej leise.
    »Lisa Ginerosowas Leiche wurde bis jetzt nicht gefunden. Formal kann man gegen Dmitri keine Anklage wegen Mordes an Lisa erheben. Aber ich denke, er hat auch sie als Schachfigur in seinem Spiel benutzt. Der Zeitpunkt erforderte ein neues Opfer. Stepan, der den Tod seines Vaters nur schwer verkraften konnte, überfiel mit seinem Sturmtrupp die Zigeunersiedlung. Wieso? Verzweiflung ruft Aggressionen hervor – so erklärte der Psychologe Stepans Tat. Auch Katja gegenüber konnte Stepan sich ja nicht beherrschen. Dmitri hat die Situation sofort richtig eingeschätzt: Katja konnte nicht nur eine nützliche Zeugin werden, sondern von Stepans Übergriffen auch gleich den richtigen Leuten berichten. Er wusste, Katja war ein Profi, sie würde sich wegen der versuchten Vergewaltigung nicht genieren oder einen Bekannten decken, wenn es um Kapitalverbrechen wie Serienmorde ging. Dmitri hielt es nun für an der Zeit, in seiner Schachpartie den entscheidenden Zug zu tun und die Miliz direkt auf die Person des wahnsinnigen Mörders zu lenken. Deshalb tötete er Lisa – Stepans Braut. Denn für wen, wenn nicht für den Verlobten des vermissten Mädchens, hätten wir uns in erster Linie interessiert? Und da kamen Katjas entlarvende Aussagen gerade recht. In diesem Stadium hat Dmitri, wie die Umstände zeigten, die Partie gegen uns gewonnen.«
    »Aber wozu hat er ihre Leiche versteckt?«, fragte Sergej.
    »Das werden wir erst erfahren, wenn wir sie finden. Falls Dmitri uns nicht von selbst sagt, wo sie ist. Vielleicht hat er die Leiche versteckt, weil der Mord Spuren hinterlassen hat, die deutlich auf ihn als den Täter hinweisen, und er hatte keine Zeit mehr, diese Spuren zu beseitigen. Er hat Lisa Ginerosowa bloß als eine der Figuren in seinem Spiel ermordet und nicht, weil sie irgendeinen Verdacht gehabt hätte. Leider ist er sehr clever vorgegangen und hat alles so gedeichselt, dass ihn bis ganz zum Schluss niemand verdächtigt hat.« Kolossow seufzte traurig. »Das wird uns für die Zukunft eine Lehre sein.
    Bei Lisas Beseitigung spielte sicher auch der Umstand eine Rolle, dass Stepan und sie heiraten wollten. Sie hätte schwanger werden können, und Scherereien mit neuen Erben konnte Dmitri ganz und gar nicht gebrauchen.
    Nach Stepans Verhaftung verlief die Sache so, wie Dmitri es geplant hatte. Er wartete einfach ab. Dann, plötzlich, bot sich Stepan die Gelegenheit zur Flucht, weil diese Rasdolsker Schlafmützen nicht aufgepasst haben. Er nutzte seine Chance. Während wir in hektische Aktivität verfielen und die Brüder warnten, vorsichtig zu sein . . . auch ich selbst habe sie gewarnt«, Kolossow lächelte bitter, »erkannte Dmitri, dass die Stunde gekommen war, auf einen Schlag beide Konkurrenten loszuwerden – durch die Ermordung Iwans. Er selber hat mir gesagt, wir sollten Iwan an der Bushaltestelle in Rasdolsk abpassen, obwohl er sehr genau wusste, dass Iwan mit dem Vorortzug bis nach Mebelny fahren würde. Das war sein üblicher Weg zur Datscha. Er ging immer durch den Wald und dann über die Chaussee, so war es näher – und genau dort lauerte sein Werwolf-Bruder ihm auf. Dmitri ging damit ein tollkühnes Risiko ein. Er zählte darauf, dass man einen Mord, der aussah wie die früheren, dem geflüchteten Verrückten zuschreiben würde: Stepan. Aber Dmitri hatte es zu eilig. Hätte er weniger überhastet gehandelt, weniger riskant, sondern einfach abgewartet, hätte er wahrscheinlich Erfolg gehabt. Aber er wollte alles auf einmal und sofort. Das ist die Natur der Basarows.«
    »Willst du damit sagen, es war purer Zufall, dass ihr ihn auf frischer Tat ertappt habt?«, fragte Sergej ungläubig.
    Kolossow schwieg.
    Draußen dämmerte es bereits, als sie das Büro des Chefs der Mordkommission verließen. Kolossow blieb noch. Er hatte offenbar keine Eile zu gehen. Zu Hause erwartete ihn ja auch niemand. . .
    »Möglicherweise wird Stepan zu dir kommen«, sagte er Katja zum Abschied. »Soll ich einen Wachposten bei dir aufstellen? Er ist zwar kein Mörder, aber doch ein psychisch Kranker.«
    »Zu mir wird er nicht kommen, Nikita.« Katja blickte zu Boden. »Wenn jetzt jemand für Stepan wichtig ist, dann . . .«
    »Dmitri?«
    Sie nickte.
    »Am Montag will Kassjanow mit Dmitri und Iwan zum Tatort fahren. Vorläufig gibt es ja
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