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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes
Autoren: Tatjana Stepanowa
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wickelte es auf. . . Der Gestank war entsetzlich, doch Katja trat trotzdem näher.
    »Ist sie es? Ist sie es, Katja?«
    Katja blickte in das Gesicht. Wie schrecklich der Tod ist, wenn kein Grab ihn verbirgt. . .
    »Ja, das ist Lisa.«
    »Der Schädel ist eingeschlagen.« Kolossow schob die Falten des Segeltuchs beiseite.
    Katja sah die blau verfärbte, wächserne Hand, den kleinen Goldring am Ringfinger. . . Kolossow zog verschiedene Gegenstände aus dem Segeltuchballen: eine eiserne Brechstange, an deren einem Ende schwarzes Blut und Lisas rote Haare klebten. Ein ehemals weißes Hemd von Dmitri, das jetzt dunkelbraun vom Blut war; ein stutzerhaftes, ebenfalls blutverschmiertes Jackett; eine schwarze Krawatte, die Dmitri bei der Beerdigung seines Vaters getragen hatte – es waren die Kleidungsstücke, in denen ihn Katja, Sergej und sämtliche Angehörigen und Bekannten gesehen hatten. Alles war blutdurchtränkt. Diesmal hatte er es wirklich nicht mehr geschafft, die Indizien zu beseitigen.
    »Das reicht jetzt. Lass ihn los.« Kolossow richtete sich auf. Seine Stimme klang müde. »Es ist genug, Stepan. Der Fall ist klar.«
    Doch Stepan drückte seine Geisel nur noch fester an sich.
    »Keiner rührt sich!«, zischte er böse. »Und jetzt, Dmitri, erzählst du vor allen Leuten, was mit Vater geschehen ist. . .«
    Dmitri zuckte zusammen. Als die Leiche aus dem Versteck gezogen worden war, hatte er mit leerem, abwesendem Blick vor sich hin gestarrt, ohne sich zu bewegen. Jetzt aber wand er sich verzweifelt im Griff seines Bruders. Die Klinge des Messers schnitt erneut in seine Haut, doch er schien keinen Schmerz zu spüren.
    »Was redest du da?«, brüllte er wild. »Glaubst du etwa, ich hätte Vater ermordet? Du selber warst doch der Grund, dass er Hand an sich gelegt hat! Wegen dir hat er es getan . . . du Versager, du wahnsinnige Kanaille! Ihr alle habt ihn umgebracht! Und du zuerst, du verdammter Irrer! Du Wahnsinniger! Du Psycho!«
    Er riss mit aller Kraft und kam tatsächlich frei. Mit den gefesselten Händen versetzte er Stepan einen wuchtigen Schlag auf den Solarplexus. Kolossow und der Wachsoldat erfassten sofort die Situation: ein Sprung, ein heiserer Aufschrei, dann eine Maschinengewehrsalve . . . Der Kameramann versetzte Katja einen Stoß in den Rücken. Sie fiel ins Gras. Ihr Mikrofon rollte über den Boden.
    Doch es war zu spät. In dem Moment, als die Gewehrsalve Stepans Beine durchsiebte – der Konvoisoldat hatte, wie vorgeschrieben, nur auf die Beine gezielt – , stieß er seinem Bruder das Messer in den Bauch. Dmitri fiel zu Boden, die gefesselten Hände auf die Wunde gepresst. Während Kolossow, Kassjanow und die Wache zu ihm stürzten, starrte er ungläubig auf seinen Pullover, auf dem sich rasch ein scharlachroter Fleck ausbreitete. Es war dieser ungläubige Blick, der sich Katja tief ins Gedächtnis prägte.

EPILOG
    Katja und Iwan Basarow saßen auf dem Hof der Rasdolsker Miliz in Kolossows Wagen. Alles war vorüber. Kolossow kam aus dem Haus.
    »Das Krankenhaus hat angerufen. Stepan wurde bereits operiert und liegt auf der Intensivstation. Er ist über den Berg. Er wird uns noch alle überleben. Aber Dmitri. . . er liegt im Augenblick auf dem Operationstisch.« Kolossow setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an. »So, hier werden wir nicht mehr gebraucht. Also zurück ins traute Heim.« Er warf einen Blick in den Rückspiegel auf Katjas blasses Gesicht und fügte hinzu: »Es wird eine interne dienstliche Untersuchung geben, Katja, hat das Präsidium mir telefonisch mitgeteilt. Zu allen Einzelheiten unseres Rasdolsker Gastspiels.«
    Katja schwieg nur und schaute aus dem Fenster.
    »Eine dienstliche Untersuchung«, wiederholte Kolossow und bog auf die Chaussee zum Bahnhof ein. »Na, von mir aus. Auf dem Film ist alles drauf. Das können die sich gern ansehen und dann urteilen, was richtig und professioneller ist – einen Fall restlos aufzuklären oder den Angeklagten bis zum Prozess unversehrt zu erhalten.«
    Er sagte nicht »am Leben zu erhalten«. Noch war die Operation im Gange.
    Katja wandte sich Iwan zu. Er saß weit nach vorn gebeugt auf der Rückbank, die Arme um die Knie geschlungen, und zitterte am ganzen Körper. Mit dem verletzten Kinn berührte er beinahe die Lehne des Vordersitzes.
    »Warum habt ihr das alles ausgeheckt, du und Stepan?«, fragte Katja ihn bekümmert.
    Iwan schwieg.
    »War Stepan die ganze Zeit bei dir?«, forschte sie hartnäckig weiter.
    »Nein. Er ist erst
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