Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
der Mann neben ihm war offenbar anderer Meinung, denn er fing laut an zu schreien.
    »Das ist er!«, zeterte er. »Nehmt ihn fest! Haltet den Dieb!«
    Noah hopste von der Bank und blickte sich um. Er war fest davon überzeugt, dass man ihn gleich verhaften würde, aber zu seinem Glück schien niemand von dem Geschrei beeindruckt zu sein.
    »Haltet den Dieb!«, brüllte der Mann wieder, als er sah, dass Noah wegrannte. »Nehmt ihn fest, sonst entkommt er uns noch!«
    Damit war das zweite Dorf abgehakt, jedenfalls was Noah betraf. Er rannte immer weiter, bis das Dorf nur noch ein Haufen Häuser war, der hinter ihm in der Ferne verblasste und schließlich ganz und gar verschwand, und schon wusste er selbst nicht mehr so recht, warum es so einen Wirbel gegeben hatte.

Kapitel 3 Der hilfreiche Dackel und der hungrige Esel
    Die Situation wurde nach dem zweiten Dorf etwas unklar. Der Weg war nicht mehr deutlich zu erkennen. Die Bäume vor ihm standen erst ganz dicht beieinander und gingen dann wieder auseinander, so dass endlich Licht durchkam und Noah den Weg sehen konnte, aber schon wurde es wieder dämmrig, und er musste die Augen zusammenkneifen, um sich zu vergewissern, dass er in die richtige Richtung ging.
    Er schaute auf seine Füße hinunter und stellte überrascht fest, dass der gewundene Pfad jetzt ganz verschwunden war. Anscheinend war Noah von seinem ursprünglichen Weg abgekommen und in einen Teil des Waldes gelangt, der sich vollkommen anders anfühlte als alles bisher. Die Bäume waren hier grüner, die Luft roch ein bisschen süßer, das Gras war dichter und federte unter seinen Schuhen. Er hörte, dass irgendwo in der Nähe ein Fluss rauschte, aber als er sich erstaunt umblickte – er wusste nämlich, dass es im Wald und in der Umgebung keinen Fluss gab –, verstummte das Rauschen sofort, als wollte das Wasser nicht gefunden werden.
    Einen Moment lang blieb Noah reglos stehen und schaute zurück in die Richtung, wo das zweite Dorf lag, aber man konnte es nicht mehr sehen, da es so weit weg war. Es kam ihm sogar so vor, als wäre das Dorf ganz und gar verschwunden. Stattdessen standen da nur noch lauter Baumreihen. Sie quetschten sich ganz dicht aneinander, als wollten sie ihm den Blick auf alles, was hinter ihnen lag, verstellen. Irgendwo zwischen ihnen verlief der Weg, dem er gefolgt war, seit er heute Morgen von zu Hause weggegangen war. Er hatte ihn nur ein einziges Mal verlassen, und zwar, um sich hinter einem Baum zu verstecken, weil er unbedingt mal musste. Jetzt nachträglich fiel es ihm wieder ein: Als er fertig war und weitergehen wollte, konnte er sich nicht mehr erinnern, ob er von rechts oder von links auf den Baum zugegangen war. Also hatte er sich einfach für die Richtung entschieden, die ihm richtig vorkam, und war weitergegangen.
    Habe ich mich etwa geirrt?
, fragte er sich. Aber er konnte nichts anderes tun als weiterlaufen, und nach ein paar Minuten stellte er erleichtert fest, dass sich die Bäume ein Stück vor ihm wieder teilten und ein drittes Dorf auftauchte. Es war viel kleiner als die beiden anderen und bestand nur aus einer Ansammlung von merkwürdig aussehenden Häusern, die in unregelmäßigen Abständen an der einzigen Straße standen. Mit so etwas hatte Noah eigentlich nicht gerechnet, aber er hoffte, dass die Menschen dort nett waren und dass er endlich etwas zu essen fand – ehe er vor Hunger tot umfiel.
    Doch da fiel sein Blick auf ein besonders komisches Haus ganz am Ende des Dorfs, auf der anderen Straßenseite.
    So viel wusste Noah über Häuser: Sie mussten gerade Mauern haben, die im rechten Winkel zusammengefügt wurden, und obendrauf saß ein Dach, das dafür sorgte, dass bei Regen die Teppiche nicht klitschnass wurden und dass einem die Vögel nicht auf den Kopf kackten.
    Das Haus da vorn war aber komplett anders.
    Noah schaute wie gebannt darauf. Wirklich seltsam: Die Wände und Fenster waren völlig schief und krumm, manche Ecken ragten hier raus, andere ragten da raus, und nichts passte zusammen. Und obwohl obendrauf ein Dach war, sogar fast am richtigen Platz, bestand es nicht aus Ziegeln oder Schiefer und auch nicht aus Stroh wie bei dem Haus von seinem Freund Charlie Charlton. Nein, es war aus Holz. Noah blinzelte und schaute noch einmal hin, dann neigte er den Kopf zur Seite, weil er dachte, das Haus könnte vielleicht normaler aussehen, wenn man es schief anschaute.
    Aber so merkwürdig das Haus auch aussah, es verblasste richtig im Vergleich zu dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher