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Der Clown ohne Ort

Der Clown ohne Ort

Titel: Der Clown ohne Ort
Autoren: Thomas Martini
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Ein Abschied
    Novemberende dieser Geschmack, kalt, ölig, trüb auf der Zunge, Motoren, und du reckst die Nase in den Wind, strahlend wie an einem Frühlingsmorgen, wenn die Sonne frisch, süß, luftig schmeckt im irisierenden Dunst, und die Füße werden taub, und du legst dich fröhlich in die Blüte, in Wärme und Wiesen legst du dich, mit Wespen und roten Ameisen, den beißenden vom Mittelmeer, der Walnussbaum wird viele Früchte tragen dieses Jahr, du pflückst den Grashalm, steckst ihn in den Mund, knabberst träumend den Stiel fasrig in den Saft und denkst an Koks und Whisky, deine Frauen und Freunde, das Dämmern, den Schweiß und den Rauch, ohne Jahreszeiten ist es ein schöner Winter in                , nur Gefühl, Geruch und Geräusch, Chimäre der Zeit, die sich jauchzend den Berg im Schnee runterrollt, rotwangig das Gesicht, prall die Lippen und ihre blauen Augen betten dich kalten, stummen Fisch weich, warm, in gestärkte, glattgebügelte Wäsche – im Rausch geht die Welt unter und mindestens drei neue gehen auf, schwarzer Tee ist braun und süß, die Milch explodiert in Galaxien und Wolken in eine lehmige, neue Farbe, Blätter beim Fall auf den Asphalt, es reißen krumme Rücken, es ist nie Zeit. Du nimmst die Nase aus dem Wind und sprichst dir die Füße wund. Weißt du, dass Feuer das Element ist, in dem ich spielen will?
    Und dann kam der laue Sommer. Hoch fliegend die Erwartung, die Mundwinkel schwer gestellt jetzt, verzogen. Freiland nannten sie es. Swastikas auf Findlingen malten die Guten hier zu schwarzen Geschenken aus, in Gedanken maltest du bunter mit. Die Kirchenglocken läuteten Sturm zu eurem Letzten, sie auf LSD, dir hatten Pilze den Tag zerschlagen, das Zelt summte mückenschwer, der Teich lag zu still vor dir im blutleeren Mond, Zeiten ändern sich. Die Stiche im Nacken erzählten streng von Liebesnächten, die nicht mehr eure waren, dein Körper im Schlafsack in bleinässender Glut, du standest auf, gingst geschlagen ins Armeezelt, sie finden, du ließt dich hart laufen. Auf dem Dach trommelte der Regen sein eigenes Trauerspiel zur Minimalmusik, die Schwermut rieselte auf festgetretenes Gras, das Eilen, es half nur bedingt. Im Schminkspiegel legte ich mir die Nacht wach und flehte mir den Morgen schön, und wir haben uns lange nicht gesehen. Zweimal noch schriebt ihr euch feurig, scharf schriebt ihr euch das Unvermeidliche weich, dem Vergeben und Vergehen schriebt ihr, und der Durst trat schwer stampfend durch Kopf und Augen in die Kehle, machte den Wein wässrig und dir die Augen wundend groß und rund. Es ist Frühling im Land der Jugend.

Das Land der Jugend

Es genügt vollkommen, dass du da bist.
    Mira Kronthaler

Das Frieren in der Hitze
    Als der Berliner Ausbruch zunächst mit einer labilen Konstitution und einer möglichen Arbeits- und Verantwortungsüberlastung erklärt wurde, folgte den Fragen Resignation: Sie fehlte, die Diagnose. Er hatte in den letzten Jahren nie viel Freizeit, gute Freunde gehabt, Bekannte, das war es, was er inzwischen zur Genüge hatte, Bekannte. Er war Neuanfänge gewohnt. Das Studium war schnell und unstet beendet. Von einem Studien- oder Praktikumsort zum nächsten gehetzt war er, nach der Trennung von Amaia, ein Stadtnomade geblieben, der oberflächliche Kontakte bevorzugte. Die Anonymität Berlins hatte ihm gutgetan.
    Ein Schreck durchzuckt ihn, als die M 13 plötzlich an seinem Gesicht vorbeizieht. Er steigt ein, es piepst fünfmal, die Türen schließen mit einem dumpfen Klappern. Nach kurzer Fahrt steigt er aus und geht in Richtung Boxhagener Straße nach Hause. In der Wohnung riecht es nach kaltem Rauch. Er hat wieder vergessen zu lüften. Es ist grabesstill.
    Da waren Amaia und Lisa gewesen, große Lieben, die sich im Ungefähren verloren, der erste, Barceloneser Bruch, keine Frauen mehr. Da war ein Studium in Bayreuth und Berlin. Da waren die Assistenz bei einem Bundestagsabgeordneten, die Festanstellung noch während des Studiums, das Angebot im Europaparlament zu arbeiten, der Stolz seiner Familie, im matten Licht der Sicherheit schimmernde Zukunft – er hatte Glück gehabt, wie man sagte. Ein paar Jahre zumindest hatte er es ertragen. Der grünen Strickmütze seiner Oma wegen wurde er nach dem zweiten Anfall bald zum Gespött der Kollegen. Er konnte das Haus nicht mehr unbemützt verlassen. Dann das ärztliche Attest. Ein halbes Jahr hatte man ihn aufgrund psychischer Probleme krankgeschrieben.
    Der Wahnsinn hat
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