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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Cornelia Read
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herunter, als die Küchentür aufging und ein halbes Dutzend Partygäste hereinstolperte, die ebenfalls nach Wackelpudding verlangten, und die Musik wieder absolut gehörschädigende Lautstärke erreichte.
    Ich sah Cate und Sophia an, zuckte die Schultern und zeigte zum Wohnzimmer.
    Wir drängten uns durch den überfüllten Gang und schoben uns hintereinander an Knoten aus tanzenden Körpern vorbei.
    Ich erreichte die Anlage und stellte The Velvet Underground ein bisschen leiser, allerdings nur, damit Lou Reeds Stimme von einem Straßenkonzert der Autoalarme übertönt wurde.
    Sue, die auf der Feuerleiter stand, schwenkte die Wasserpfeife über dem Kopf und grölte mit den anderen Kiffern: »Yuppie raus, Yuppie raus!«
    Ihr Körpereinsatz ließ sie rückwärts taumeln, und ich rannte mit Samba tanzendem Herzen und ausgestreckten Armen zum Fenster, doch Glück und das dünne Eisengeländer bewahrten Sue vor dem Sturz in die Tiefe.
    »Super!«, rief mir Pagan ins Ohr. »Es ist keine Party, solange Sue nicht runterfällt.«

3
    Am Sonntag waren wir alle schrecklich verkatert und krochen erst nach Mittag aus dem Bett. Nach einem langen, trägen Brunch im örtlichen Diner, der Hollywood hieß, beschlossen Dean, Sue und Pagan Rollerbladen zu gehen. Ich beschloss, dass sie verrückt waren, und blieb, wo ich war.
    Es gab Leute, deren Körper rief: »Los! Los! Los!« Meiner sagte: »Scheiß drauf und leg dich mit einem Buch auf die Couch.« Und das galt doppelt nach einem Bacon-Cheeseburger im Hollywood-Diner.
    Die Sportfanatiker würden noch zwei Stunden weg sein, doch ich war nicht müde genug, um zu schlafen. Ein Sonntagnachmittag ohne Gesellschaft war für mich immer eine Horrorvorstellung gewesen. Müsste ich ihn mit Ölkreiden malen, käme immer nur ein dunkles Ocker heraus.
    Also griff ich zum Telefon und versuchte, Astrid aufzuspüren, die ich ebenfalls noch aus dem Internat kannte. Wir waren die Sorte Freundinnen, die sich einmal im Jahr bei der jeweils anderen meldeten, aber immer miteinander sprechen konnten, als wären wir nur kurz unterbrochen worden.
    Meine gesellschaftliche Stellung war die von verarmten, angeknacksten Abkömmlingen von Mayflower-Schnöseln, aber für Astrid gab es kein Bild in unserer Sprache, das ihre Klasse auch nur entfernt beschrieb.
    In Frankreich sagte man BCBG: bon chic, bon genre , in England »classy«. Astrids Pariser Stammesgenossen würden wahrscheinlich comme il faut bevorzugen, auch wennich fand, die Grateful-Dead-Zeile »Living on reds, vitamin C and cocaine« passte besser zum Lebensstil ihrer exklusiven, polyglotten hoch gezüchteten Klassenkameraden, die mit den teuersten Airlines um die Welt reisten, um sich in den höchsten Sphären zu tummeln.
    Astrid war eine britisch-florentinische Schönheit, die sich seit dem Schulabschluss 1981 nie länger als drei Monate an einem Ort aufgehalten hatte, immer auf Achse auf ihrem High-Society-Partygirl-Zickzack-Parcours von London nach LA und von Palm Beach an die Upper East Side.
    Es war sinnlos zu versuchen, ihre neueste Adresse oder Telefonnummer zu verwalten. Stattdessen rief ich immer wenn ich nach New York kam, die Auskunft an, um zu erfahren, ob sich unsere Umlaufbahnen kreuzten.
    Diesmal hatte ich es ein paar Monate aufgeschoben, weil ich nach dem Umzug alle Hände voll zu tun hatte mit der Jobsuche und der Unterbringung meiner Möbel und meines alten Porsche, die ich, das eine wie das andere, schließlich in der alten Scheune einer Freundin meiner Mutter in Long Island verstaute. Sie wissen schon: das Leben. Der ganze Erwachsenenmist, in dem ich so grottenschlecht war.
    Ich wählte 411 und rechnete zähneknirschend damit, Astrids Nachnamen buchstabieren zu müssen. Sie hieß Niro-de-Barile, Spitzname »Nutty Buddy«, den Dean kreiert hatte, als er nach einer Woche unseres Zusammenlebens in Syracuse zum ersten Mal eine Nachricht von ihr aufschrieb.
    Und die Auskunft fand heute tatsächlich einen Eintrag – in Midtown, was passte.
    Ich rechnete mit dem Anrufbeantworter und war überrascht, als sie sich meldete.
    »Hey«, sagte ich.
    »Madissima, wie zum Teufel geht’s dir?«
    »Anständig«, erklärte ich. »Endlich lebe ich wieder in der Stadt, Gott sei Dank. Und du?«
    »Ich wollte dich längst anrufen, aber ich habe vergessen, wie das gottverlassene Nest hieß, wo du hingezogen bist, als du von Syracuse weg bist …«
    »Pittsfield.«
    »Das passt. Wie konnte ich es bloß vergessen ?«
    »Dürfte kein Problem gewesen sein,
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