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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Cornelia Read
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Buttercremeköstlichkeiten entfaltete.
    Meine Faust schloss sich um ihr dürres, unter Kalziummangel leidendes Handgelenk.
    »Und Sie «, sagte ich, während mein Griff fester wurde, »passen auf, dass Sie Ihre verdammten Medikamente nehmen!«
    Ein paar Zuschauer fingen zu lachen an.
    Ich ließ ihr Handgelenk los. Die Hexe schwankte leicht auf ihren Zickenstilettos, bevor sie den Kopf senkte und Leine zog.
    Die Tür flog auf und schloss sich sanft.
    Ein dicker grobschlächtiger Kerl an einem winzigen Ecktischchen hob seinen Styropor-Espresso-Becher und prostete mir zu, die übrigen Gäste legten die Gabeln weg und applaudierten.
    Mom stellte sich mit der rosa Tortenschachtel, die ordentlich mit rot-weißem Bäckerzwirn verschnürt war, neben mich.
    »Mann«, sagte ich grinsend, »bin ich froh, wieder in New York zu sein.«

2
    Die Wohnung hatte Sue gefunden, als sie an der NYU Film studierte. Ich kannte Sue aus dem Internat, wo sie sich eines Septembermorgens bei mir vorstellte, weil wir im selben Jahr Jahrgangsstufensprecherinnen waren, sie für die zehnte und ich für die elfte Klasse. Und dann vertraute ich ihr ein Jahr später meine kleine Schwester an, als Pagan an die Ostküste kam und in Sues Klasse landete.
    Es war eine Dreizimmerwohnung in Chelsea, zwischen Sixth und Seventh Avenue, ohne Portier. Inzwischen riss sich Sue den Arsch auf für eine Produktionsfirma oben in Uptown, die Fernsehwerbung machte. Sie brüllte den lieben langen Tag ins Telefon, was sie lehrte, das Letzte aus der Geschäftswelt herauszupressen und in unseren traurigen Gemeinschaftstopf zu werfen.
    Von Sue wussten wir, welches der beste chinesische Lieferservice war (Empire Szechuan Greenwich, nicht Empire Szechuan Village, die nur eine Straße entfernt voneinander waren), der beste Bagel-Laden (H&H) und die nächste Reinigung, wo man sein Zeug ohne Aufpreis am gleichen Tag zurückbekam, wenn man bis sieben Uhr anrückte und die Dame am Tresen bezirzte.
    Pagan und Sue teilten sich das kleinere Zimmer, und als Dean und ich im Juni aus den Berkshires eintrudelten, waren sie zufällig gerade auf der Suche nach neuen Mitbewohnern.
    Eigentlich waren wir in der Hoffnung nach New York gekommen, Dean könnte an einem Management-Ausbildungsprogramm der Transit Authority teilnehmen. Erhatte in Upstate New York als Leiharbeiter für die Bahn gearbeitet, aber um eine feste Stelle zu bekommen, hätte er einen Onkel bei der Gewerkschaft gebraucht, wie sich rausstellte. Also verdiente ich zurzeit unser Geld, indem ich telefonische Bestellungen für einen Bücherclub namens The Catalog aufnahm, während Dean Bewerbungen rausschickte und für die Eltern und Chefs unserer Freunde in der ganzen Stadt kleinere Handwerkerjobs übernahm.
    Die Quote der Technik-Versager unter den Reichen Manhattans war so hoch, dass ein fähiger junger Kerl mit Bohrmaschine sich leicht was dazuverdienen konnte – einmal bekam Dean fünfzig Dollar dafür, dass er einen Videorekorder anschloss –, aber natürlich brachten ihn die Jobs keinen Schritt in die Richtung, in die er wollte, wenn er groß war.
    Außerdem waren da die gelangweilten Spekulantengattinnen, die den strammen jungen blonden Mann im Overall mit Blicken verschlangen, was mir gar nicht gefiel, trotz der Versicherungen meines unerschütterlichen Ehemanns, es liefe ihm eher kalt als heiß den Rücken runter, wenn er an der Tür einer fremden Wohnung von einer Mittfünfzigerin begrüßt wurde, die nur mit einem Laken bekleidet von ihrem Heimtrainer stieg.
    All das erzählte ich Mom, als ich ihr ins Haus folgte.
    »Hoffentlich kein Spannbettlaken«, bemerkte sie.
    »Dean hat keine Einzelheiten genannt«, sagte ich, »außer dass es Eisenbahnmuster hatte, woraus er schloss, dass sie es aus dem Kinderzimmer hatte.«
    Mom lachte, doch bei der Vorstellung, meine Ehe könnte nur im Entferntesten gefährdet sein, wurde mir schwindelig vor Angst. Dean war mein Zufluchtsort, mein letztes Bollwerk gegen den Wahnsinn.
    »Gott, da hat sie sich nicht viel Mühe gegeben«, sagte Mom.
    »Heißt aber auch, dass es kein großes Laken war. Sie hatte also nicht viel Stoff am Leib.«
    Mom zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich hatte sie nicht die Figur für ein Negligé.«
    »Sehr mütterlich von dir, Mom.«
    Ich war in einer Landschaft von durch Scheidung zerrütteten Familien aufgewachsen, und die Ehe war ein kostbares Spitzengewebe für mich, das zu gleichen Teilen aus Glaube, Schwanendaunen und Feuerzeugbenzin bestand.
    Mom und
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