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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Cornelia Read
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worden, und ich glaube, er braucht Hilfe bei der Suche nach dem Bierfass.«
    »Ich kümmer mich um ihn«, schrie sie zurück.
    »Halt ihn vom Wackelpudding fern«, sagte ich, bevor im Wohnzimmer A Tribe Called Quest aus den Lautsprechern sang: »Mr Dinkins will you please be my May-or?«
    Sue hielt die Daumen hoch und schob Mike in Richtung Wohnzimmer.
    Es klingelte wieder, und ich drückte auf den Türöffner, ohne mir die Mühe zu machen zu fragen, wer kam.
    Falls es der Räuber war, konnten wir ihn im schlimmsten Fall gemeinsam überwältigen und Mikes Geldbeutel zurückholen.
    Doch zum Glück waren es nur meine Kommilitonin Sophia und die Freundin, die sie am Telefon angekündigt hatte.
    Sophia umarmte mich, mit blutrotem Lippenstift und einer prächtigen dunklen Lockenmähne, die an meiner Wange kitzelte.
    »Das ist Cate Ludlam!«, rief sie mir ins Ohr. »Ich habe dir von ihr erzählt! Deine Cousine!«
    Ich zog beide mit in die Küche. Cate hielt mir die Hand hin. Sie war ein bisschen älter als ich und ein kleines bisschen kleiner, mit glattem braunem Haar und Augen, die mich an Edith Piaf erinnerten.
    »Sophia denkt, wir sind verwandt«, rief ich, indem ich versuchte, den neuen B-52s-Song zu übertönen.
    Cate zuckte die Schultern, lächelte und zeigte auf ihr Ohr. »What’s that on your head? A wig!«, schmetterte es aus den Lautsprechern.
    Ich schloss die Küchentür. Das Dröhnen der Bässe war immer noch zu spüren, aber wenigstens waren die Dezibel von »Blasen bildend« auf »ohrenbetäubend« gesunken.
    »Viel besser.« Ich zog ein frisches Tablett Wackelpudding aus dem Kühlschrank und reichte es herum.
    Dann wünschte ich L’chaim und wir kippten unseren Becher.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Cate.
    »Dass ihr beiden vielleicht Cousinen seid«, erklärte Sophia und versorgte Cate und sich mit dem nächsten Pappbecher.
    »Ich heiße auch Ludlam«, sagte ich. »Madeline Ludlam Fabyan Dare. Nach meiner Ururgroßmutter.«
    Cate trank ihren zweiten Wodka. »Wir Ludlams sind auf jeden Fall verwandt. Es kamen nur drei Brüder mit dem Namen aus England.«
    »Aber es gibt Lud lam und Lud lum . Zu welchen gehörst du?«, fragte ich.
    »Lud-L-A-M«, sagte Cate. »Einer der Brüder ging nach New Jersey und änderte die Schreibweise. Wir nennen den Zweig die Ausgeburt Obadjas. Die Long-Island-Ludlams haben das ›A‹ behalten.«
    »Wie ihr, Maddie?«, fragte Sophia.
    »Bei uns auf dem Familienfriedhof werden alle mit ›A‹ geschrieben«, sagte ich. »Die ›U‹-Typen hätten wir wahrscheinlich als Ketzer verbrannt – und überhaupt nicht beerdigt.«
    »Wo ist euer Friedhof?«, fragte Cate.
    »Centre Island in Oyster Bay.«
    »Ich habe davon gehört.«
    »Ich führe dich gerne mal herum.«
    »Würde mich freuen«, sagte sie. »Dann zeige ich dir auch meinen.«
    »Du hast auch einen? Toll.«
    »In Queens«, sagte Cate. »Er heißt Prospect Cemetery – die ursprüngliche Begräbnisstätte des Dorfs Jamaica. Er geht zurück ins sechzehnte Jahrhundert.«
    »Werden eure immer noch da begraben?«, fragte ich.
    »Oh nein«, sagte Cate. »Der Friedhof ist seit Jahrzehnten verwildert. Ich habe erst letztes Jahr von ihm erfahren.«
    »Hast du Ahnenforschung betrieben?«, fragte Sophia.
    »Nein«, sagte Cate. »Jemand hatte ein paar Hunde hinter dem Zaun ausgesetzt, und eine Frau aus der Nachbarschaft rettete sie. Dabei hat sie an der Kapelle am Eingang den Namen Ludlam entdeckt und fing an, alle Ludlams anzurufen, die sie im Telefonbuch fand.«
    »Und wie ist er so?«, fragte Sophia.
    »Damals waren es knapp zwei Hektar Urwald.«
    »Und die Kapelle?«, fragte ich.
    »Ah, die Kapelle …« Cate lächelte verträumt. »Am Anfang war es eine stinkende Kloake voll mit Crack-Röhrchen, aber, verdammt, der Ort hat etwas Besonderes … irgendwie hat er mich verzaubert, wenn du weißt, was ich meine?«
    »Das Suchtpotenzial kleiner baufälliger Ruinen«, sagte ich. »Ja, das kenne ich.«
    Cate lachte. »Jedenfalls habe ich angefangen, Freiwillige zusammenzutrommeln, um die Wildnis zu zähmen. Jeden Mittwochnachmittag. Vielleicht hast du Lust, diesen Mittwoch mitzumachen?«
    »Es wäre mir eine Ehre«, sagte ich und hob den Becher. »Zur Feier unserer neu entdeckten genealogischen Verbindung müssen wir unbedingt anstoßen.«
    »Auf uns!« Cate griff nach dem nächsten Becher vom Tablett.
    »Auf die Cousinen«, sagte Sophia, »und auf den lapidaren Reiz kleiner morbider Orte.«
    Wir stürzten die gelierten Cocktails
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