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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann
Autoren: Åke Edwardson
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wundere mich, dass es … so geworden ist. In letzter Zeit hat er nicht viele andere Kinder getroffen oder gespielt.«
    Sie lächelte mit Lippen, die schmaler waren, als er sie in Erinnerung hatte, als ob auch das von der Müdigkeit herrührte.
    »Grüß ihn von mir«, sagte er.
    »Besuch ihn doch mal.«
    »Morgen bin ich schon wieder woanders.«
    Er sah sie von der Seite an, sah ihr Gesicht und dann den See, der sich vor ihnen ausbreitete, als er auf den Parkplatz einbog. Er hatte den Eindruck, sie beiße sich auf die Unterlippe, als kaue sie an einem Wort.
    »Er fragt nach dir«, sagte sie.
    Johnny antwortete nicht, drehte eine Runde auf dem Parkplatz und legte den Rückwärtsgang ein, um die Jukebox genau vor Moréns Tanzfläche abladen zu können, die ein Stück übers Wasser ragte. Er hatte Bilder von Häusern gesehen, die überm Wasser erbaut waren, in Asien, und genau so sah Moréns Tanzfläche aus. Sie war sogar überdacht. Eine Bühne überm Wasser, Wellengeräusche unterm Tanzboden.
    »Er unterhält sich gern mit dir«, sagte Elisabeth.
    Johnny nickte gedankenverloren und fuhr rückwärts.
    »Es gibt keine anderen Männer«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. Sie schaute zur Tanzfläche oder auf den See.
    »Was?«
    »Er … es gibt keine erwachsenen Männer in seinem Leben«, sagte sie. »In unserem Leben. Wir haben ja keinen Mann in unserem Leben.« Sie drehte sich zu ihm um. »Ich denke jetzt nicht an mich selbst, und das weißt du. Ich denke an Lennart.« Sie nickte wie zur eigenen Bestätigung.
    »Jungen brauchen auch Männer in ihrer Umgebung. Nicht nur Frauen.«
    »In zehn Jahren wirst du das vielleicht nicht mehr finden.«
    »Ich mach keine Witze, Johnny.« Sie bekam eine Falte oder zwei zwischen den Augen. »Es gibt keinen Grund zum Witzemachen.«
    Johnny fuhr vorwärts und legte wieder den Rückwärtsgang ein. Er sah Morén den Abhang vom Kiosk heruntergehumpelt kommen. Er strahlte etwas Bedrohliches aus, vielleicht kam es vom dumpfen Licht des Sees. Aber eigentlich war es seine Art zu gehen, wie er im ganzen Blickfeld hin und her torkelte. Er hatte einen Gang, als wollte er mit der Waffe, die er in der Hand hatte, der ganzen Welt eins aufs Maul geben. Er wirkte wie eine Gestalt aus fernen Zeiten.
    Johnny sah Elisabeth an. Sie war plötzlich merkwürdig still. Er wusste nicht recht, was er sagen sollte.
    »Hat Bertil noch immer nichts von sich hören lassen?«, fragte er.
    »Nein.« Sie schien Moréns Silhouette zu studieren, ein rundlicher Vampir in Pelerine. »Das hast du schon mal gefragt.«
    »Darum frag ich ja jetzt noch einmal«, sagte er.
    »Er hat nichts von sich hören lassen«, sagte sie.
    »Wie lange ist er nun schon weg?«
    »Bald ein halbes Jahr.«
    »Das ist nicht gut.«
    »Nicht GUT?!« Jetzt wollte sie nicht mehr still sein. Die beiden Falten erschienen wieder zwischen ihren Augen.
    »Scheiße ist das! Mich sitzen zu lassen ist das eine, aber einen kleinen Jungen, gerade zehn Jahre alt.«
    Johnny schwieg. Morén war fast bei ihnen angekommen. Er schwang seine silberne Krücke wie einen Krocketschläger. Irgendwann würde er sich selbst am Kopf treffen.
    »Und bald ist Lennart wohl elf«, sagte Johnny.
    Er wusste nicht, warum er es sagte. Es war eine dämliche Erinnerung an jene Zeit, aber ganz falsch in diesem Zusammenhang.
    Darauf reagierte sie jedoch nicht.
    »Er hat in zwei Wochen Geburtstag. Am neunundzwanzigsten.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Wir laden dich ein.« Sie lächelte. »Du kannst so viel Vanillekränze essen, wie du schaffst, und hinterher gibt es Zitronencreme.«
    »Ich habe …«
    Die Silberkrücke traf mit einem unangenehmen Geräusch das Autodach. Moréns Stimme von draußen klang wie Erz.
    »Was zum Teufel ist DAS DENN?«
    Morén beugte sich zum Beifahrerfenster herein. Er war ein kräftiger Mann mit schweißnassem Gesicht. Der Abend war immer noch warm.
    »Wir sind’s, Elisabeth und ich«, sagte Johnny.
    »Das DA!« Morén fuchtelte mit dem Arm, und fast hätte seine Faust Elisabeth gestreift. Der Luftzug ließ ihren Pferdeschwanz flattern.
    »Das ist eine Box«, sagte Johnny.
    »Eine BOX?! Das ist ja … Mist … Schei…«
    »Diese ist in einer besseren Verfassung als die Wurlitzer, die ich austauschen soll«, sagte Johnny.
    »Ich kann nicht auf alles aufpassen hier draußen. Das weißt du, Johnny.« Jetzt klang Moréns Stimme quengelig, als ob er plötzlich kleiner geworden wäre. »Glaubst du etwa, ich hätte die Wurlitzer in die Sonne geschleift? Das war
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