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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann
Autoren: Åke Edwardson
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war, dass die Grubenarbeiter in Frankreich nach acht Tagen lebend gerettet wurden.«
    »Das hatte ich vergessen.«
    »Er vergisst nichts«, hatte Elisabeth gesagt.
    »War es denn ein Rekord?«
    »Nein. Im August vergangenen Jahres waren zwei Grubenarbeiter in Amerika vierzehn Tage lang verschüttet und haben überlebt.«
    Geier hatte Elisabeth die Hand gegeben, als sie gingen. Die Kommunalarbeiter hatten sich nach ihnen umgedreht.
     
    Sie warteten vor den geschlossenen Bahnschranken im Zentrum. Von Westen näherte sich der Zug mit laut kreischenden Bremsen. Die Schranken glitten hoch. Mitten auf den Gleisen begegneten sie einem Amazon. Johnny drehte rasch den Kopf. Elisabeth sah, dass er dem Amazon im Rückspiegel nachblickte.
    »Jemand, den du kennst?«, fragte sie.
    »Nein.«
    Am Marktplatz bog er nach rechts ab und fuhr weiter ostwärts, in dieselbe Richtung wie der Zug.
    »Ich bin in diesem Sommer mehrere Male auf einen Amazon gestoßen«, sagte er.
    »Gestoßen? Wie meinst du das?«
    »Es ist … dasselbe Auto. Und manchmal … dieselbe Frau. Manchmal erkenne ich sie.«
    »Jetzt verstehe ich dich nicht, Johnny.«
    »Ich auch nicht«, sagte er. »Ich versteh überhaupt nichts.«
    »Was verstehst du nicht?«
    »Manchmal ist sie … eine Fremde, oder wie man das ausdrücken soll, und manchmal ist sie meine Mutter.« Er drehte den Kopf. »Es ist wie ein Traum. Es ist ein Traum. Als ob ich eine Erscheinung hätte.« Er richtete den Blick wieder auf die Straße. »Und gestern hab ich etwa zehn Amazon in der Hauptstadt gesehen.«
    »Warst du in der Hauptstadt?« Sie starrte ihn an. »Warst du gestern in der Hauptstadt?«
    Er nickte. Die Straße machte eine Kurve und ein Sonnenstrahl traf ihn an der Wange. Er war warm.
    »Ich bin zu einer Wohnung gefahren, in der Seved gewohnt hat.«
    »Seved«, sagte sie.
    »Seved. Mein Bruder. Seved.«
    »Warum bist du … gerade jetzt gefahren?«
    »Ich weiß es nicht. Ich hab ein Gefühl, als würde alles jetzt passieren, in diesem Sommer. In diesem August.«
    »Was ist passiert?«, fragte sie.
    »Da oben in der Wohnung? Nichts. Er ist schon viele Jahre nicht mehr dort gewesen.«
    »Können wir eine Pause machen?«, fragte sie.
    »Pause?«
    »Ein wenig anhalten.«
    »Klar. Musst du …«
    »Nein, ich muss nicht austreten. Ich möchte nur, dass wir ein Weilchen anhalten.«
    Einen halben Kilometer weiter gab es einen kleinen Rastplatz an einem Tümpel. Er bog von der Landstraße ab und parkte. Es waren keine anderen Autos dort. Sie befanden sich immer noch innerhalb der Stadtgrenze.
    Sie setzten sich auf eine Holzbank am Ufer. Zwischen der Bank und dem Wasser war eine Feuerstelle, ein Kreis aus Steinen und in der Mitte Kohle und Asche. Jemand hatte hier vor noch nicht langer Zeit ein Feuer gemacht. Ein plötzlicher Windstoß wirbelte die Asche auf und wehte ein paar Rußflocken davon. Johnny hörte den Wind in den Tannenwipfeln. Elisabeth schaute über das Wasser. Am anderen Ufer stand ein dichter Schilfgürtel. Das Schilf schwankte sacht im Wind, wie in einem bestimmten Rhythmus.
    »Ingrid hat mich gestern Vormittag besucht«, sagte sie, ohne ihn anzusehen.
    »Was sagst du da? Ingrid?«
    »Ja.«
    »Wollte sie sich entschuldigen?«
    »Irgendwie schon.«
    »Und?«
    »Aber sie hat auch noch mal von deinem … Bruder geredet. Seved. Von deiner … Suche nach ihm.«
    Er schwieg. Ein Seevogel war aus dem Schilf aufgeflogen, vielleicht ein Haubentaucher. Der Abstand war nicht groß, aber er konnte nicht erkennen, was es für ein Vogel war.
    »Johnny? Hast du mir zugehört?«
    »War sie immer noch betrunken?«, fragte er.
    »Nein, jedenfalls hatte ich nicht den Eindruck.«
    »Die Suche ist vorläufig zu Ende«, sagte er.
    »Was meinst du damit?«
    »Ich habe mich vorher nicht getraut«, sagte er und wandte sich zu ihr um. »Nicht ernsthaft getraut. Aber gestern hab ich es gewagt.« Er steckte die Hand in die Innentasche seines Jacketts und holte das Foto hervor und reichte es ihr.
    »Was ist das?«, fragte sie, als sie es entgegennahm.
    »Schau es dir an.«
    Sie sah auf die Fotografie und sah dann ihn an und dann wieder das Foto.
    Sie sind sich sehr ähnlich, dachte sie. Fast wie Zwillinge. Aber man kann erkennen, wer der Jüngere ist.
    »Wann ist das aufgenommen worden?«, fragte sie, den Blick auf den jüngeren Jungen geheftet. Er sah aus, als wollte er gerade etwas sagen.
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie studierte das Foto. Im Hintergrund war nur eine helle Wand. Die Gesichter der Jungen
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