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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann
Autoren: Åke Edwardson
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geschlossen, aber im Schloss steckte ein Schlüssel, der im Licht vom Schlafzimmer aufblitzte. Er streckte die Hand aus und drehte ihn um, die Schranktür glitt mit einem seufzenden Geräusch auf. Es ist ein geheimer Schrank, hatte Seved gesagt. Als sie klein waren, haben sie Sachen in dem Schrank versteckt, hat er erzählt. Johnny erinnerte sich nicht, dort etwas versteckt zu haben, aber er erinnerte sich, dass Seved es erzählt hatte. Versteckte Sachen. Er machte noch einen Schritt und schaute hinein. Der Schrank war leer, nichts lag den Einlegebrettern. Er bückte sich zum untersten Bord, aber auch das war leer. Plötzlich nahm er einen schwachen Geruch wahr, der langsam aus dem Innern des Schrankes zu kriechen schien. Er traf ihn wie ein Schlag. Der Geruch kam aus der Vergangenheit. Er kannte ihn aus Sjögrens Vertreterzimmer und vielleicht von einem anderen Ort, an den er sich nicht erinnerte. Er hatte immer geglaubt, der Geruch hänge mit etwas zusammen, dem er nicht nahe kommen wollte, etwas, vor dem er immer geflohen war, aber jetzt wurde ihm klar, dass es der Geruch des einzigen Zuhauses war, das er jemals gehabt hatte. Er tastete die Schrankwände ab, wie er eben die Wand neben der Tür abgetastet hatte, und an der Unterseite des zweiten Bords stießen seine Finger auf etwas. Es fühlte sich wie Papier an und klemmte fest hinter dem Holz. Er bückte sich wieder, um etwas zu erkennen, aber es war zu dunkel. Er fingerte zwischen Rückwand und dem Bord herum, und das Papier löste sich und er zog es in das Halbdunkel der Garderobe. Es war ein Foto.
     
    Er ging wieder in das größere Zimmer, das zwei Fenster zur Straße hatte, zog einen Vorhang zurück und schaute hinunter. Der Duett stand fünfzig Meter entfernt, eingeklemmt in einer Reihe von geparkten Autos. Ein Taxi fuhr vorbei. Es sah aus wie ein Käfer und hielt zehn Meter entfernt rechts vom Fenster in der Einbahnstraße. Die schwarze Tür wurde geöffnet, aber er konnte nicht sehen, wer ausstieg. Jetzt ertönte dort unten eine Sirene, das Geheul kam von links. Er sah einen Krankenwagen mit großer Geschwindigkeit gegen die Fahrtrichtung vorbeifahren. Er musste sich an dem Taxi vorbeischlängeln, das noch näher an die parkenden Autos heranmanövrierte. Der Krankenwagen beschleunigte wieder, der schrille Heulton stieg geradewegs auf und blieb vorm Fenster hängen. Er hörte einen Ruf hinter sich und fuhr herum und sah, wie eine Frau sich umdrehte und zurück in die Diele lief, zur Wohnungstür, die geschlossen war. Von dort kam kein Licht. Er sah den ganzen Weg bis zur Tür.
    »Warten Sie!«
    Sie hatte die Tür schon halb erreicht.
    »Warten Sie!«
    Sie drehte sich im Laufen um, sie kam ihm bekannt vor. Nein. Es war zu dunkel in der Diele. Sie war es nicht. Er lief ihr nach. Sie war noch drei Meter von der Tür entfernt, als er ihre Schultern zu fassen bekam.
    »Warte! Bit…«
    Sie versuchte sich mit einer Hand zu befreien. Er ließ sie los, ging an ihr vorbei und baute sich an der Tür vor ihr auf.
    »Ich bin’s, Bergman! Ich bin’s!«
    Er sah sie den Mund öffnen, aber es kam kein Schrei.
    »Ich war es, der angerufen hat. Ich wollte nu…«
    Sie stand wie angewurzelt da. Ihre Augen waren auf die Tür hinter ihm gerichtet, als ob sie nicht wagte, ihn direkt anzusehen.
    »Kers…tin, oder? Sie heißen Kerstin Johansson. Ich hab gestern Abend angerufen. Ich hab hier angerufen.«
    »Was wollen Sie?«, sagte sie.
    »Ni…«
    »Was wollen Sie von mir?«, unterbrach sie ihn.
    »Nichts. Ich will nichts.«
    »Was machen Sie dann hier?«
    Er merkte, dass sie sich entspannte, die Linie ihrer Schultern wurde weicher. Sie trug immer noch den dünnen Mantel, sie hatte ihn nicht ausgezogen, bevor sie ins Zimmer kam und ihn entdeckte. Sie hätte ihn schon vorher sehen müssen, aber vielleicht war es wegen der Lichtverhältnisse nicht möglich gewesen.
    »Sind Sie Kerstin Johansson?«, fragte er.
    »Ja. Sind Sie … Bergman?«
    »Das hab ich doch gesagt.«
    »Was machen Sie hier?« Sie breitete die Arme aus. »Sie sind eingebrochen.«
    »Ich suche nach meinem Bruder.«
    »Er ist nicht hier. Das hab ich Ihnen doch schon am Telefon gesagt.«
    Johnny nickte.
    »Haben Sie mir nicht geglaubt?«
    »Darum geht es nicht«, sagte er.
    »Was? Worum geht es dann?«
    »Ich musste es einfach … tun. Hierher fahren.«
    »Jetzt haben Sie es getan«, sagte sie.
    Er stand immer noch einige Meter von ihr entfernt. Er hatte sie noch nie gesehen. Sie sah niemandem ähnlich, den er
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