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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann
Autoren: Åke Edwardson
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begannen sich aufzulösen, wurden zu einem Teil des blauen Himmels. Noch ein paar Jahre, und sie würden zu Raumschiffen geworden sein, die langsam zu anderen Planeten abhoben.
    Er schraubte die Flasche auf und nahm den Alkoholgeruch wahr. Er hob die Flasche zum Mund, setzte sie aber wieder ab. Er konnte warten, bis er ein Glas in der Hand hatte.
    Jetzt, wo der Alkohol greifbar nah war, schien er warten zu können. Plötzlich war es kein Kampf mehr.
    Er nahm ein sauberes Glas aus dem Abtropfkorb und stellte es neben die Flasche. Plötzlich konnte er ein weiteres Weilchen mit dem Trinken warten und darauf, dass alles, was er dachte, sah und fühlte, weicher und an den Rändern undeutlicher wurde und dann alle Form verlor und schließlich gar nichts mehr bedeutete. Er konnte wieder fliehen, auf die beste Art, auf die souveränste Art, die schnellste. Innerhalb einer halben Stunde könnte er dort sein, wo nichts mehr etwas bedeutete.
    Er füllte das Glas zur Hälfte, hob es und trank. Er schmeckte nichts, er roch nichts, in den ersten Sekunden war es, als würde er Luft trinken. Dann spürte er die Wärme wie einen sanften Faustschlag im Zwerchfell.
    Jetzt fühlte er ein Zittern im ganzen Körper, wie ein plötzlicher Kälteeinbruch nach einer Hitzewelle. Er stellte das Glas ab, es kippte um und rollte zum Rand der Anrichte, und er konnte nichts tun, konnte sich im Moment nicht rühren, doch das Glas bewegte sich in seiner eigenen Bahn, am Rand entlang, zur Hälfte darüber und rollte dann wieder zurück und blieb liegen. Johnny richtete es auf und wartete eine Sekunde, ehe er sich mehr Alkohol einschenkte. Ihn fror immer noch. So sollte es nicht sein, dass er fror.
     
    »Johnny? Johnny!« Er stand still irgendwo, aber die Umrisse waren undeutlich, es könnte ein Feld sein, ein Weg, ein Hofplatz, ein Marktplatz. Jemand rief seinen Namen und er drehte sich um. »Johnny? Johnny.« Jemand berührte ihn. »Johnny.«
    Er sah Elisabeths Gesicht. Sie war kein Traum. Er spürte ihre Hand auf seiner Schulter. Er hörte ihre Stimme.
    »Bist du wach, Johnny?«
    »Äh … ja, jetzt bin ich es wohl.«
    »Die Tür stand offen.«
    »Aha.«
    »Schläfst du häufiger im Sessel?«
    Er bewegte den Kopf, sein Nacken war steif. Er lag halb im Sessel. Wie war er hierher gekommen? Er blinzelte und neigte vorsichtig den Kopf. Oberhalb der Augen hatte er Schmerzen. Er hatte keinen schlechten Geschmack im Mund. Das Viertel stand auf dem Sofatisch vor ihm und das Glas daneben. Er sah, dass die Flasche noch drei viertel voll war. Das erstaunte ihn.
    »Ist das Flasche Nummer zwei?«, fragte sie.
    »Nein, nein.« Er beugte sich vor. »Ich bin bloß eingeschlafen.« Er sah sie an. »Was … machst du hier, Elisabeth?«
    »Ich bin mit dem Zug gekommen«, sagte sie.
    »Ja, aber warum …«
    »Man kann mit nur einmal Umsteigen von mir hierher fahren«, unterbrach sie ihn. »Wusstest du das?«
    »Nein.«
    »Und dann ist er kaputtgegangen.«
    »Was sagst du?« Er stand auf. »Wie meinst du das?«
    »Wir sind auf den Gleisen stehen geblieben. Irgendwas ist passiert.«
    »Wie lange?«
    »Gut eine Stunde oder so.«
    Johnny sah das Morgenlicht draußen. Er schaute auf seine Armbanduhr. Es war halb neun. Er musste wie ein Stein geschlafen haben, schwerer. Tiefer denn je. Sie musste die ganze Nacht im Zug gesessen haben.
    »Möchtest du Kaffee?«, fragte er.
    »Ja, gern.«
    »Wo ist Lennart?«
    »Er hat bei einer Freundin von mir übernachtet. Zu Hause.«
    »Warum bist du gekommen, Elisabeth? Jetzt?«
    »Ich bin zum ersten Mal hier«, antwortete sie und wandte sich zum Fenster um. »In dieser Stadt bin ich noch nie gewesen.«
     
    Sie streckte sich über den Küchentisch und griff nach seiner Hand. Er hatte noch keinen Kaffee eingeschenkt.
    »Er wollte mir nicht zuhören«, sagte sie. »Er ist vollkommen durchgedreht, schlimmer denn je.«
    »Bertil? Redest du von Bertil?«
    »Von wem sonst?«
    »Was hast du denn gesagt?«
    »Ich hab nichts gesagt. Anfangs hab ich nichts gesagt. Er ist nach Hause gekommen … ich weiß nicht, wo er gewesen ist … und dann fing er mit diesen Beschuldigungen an.«
    »Was für Beschuldigungen? Was hat er gesagt?«
    »Dass … dass Lennart nicht sein Kind ist.«
    Johnny hörte ein Brausen in den Ohren, als würde er mitten in einem Sturm stehen. Plötzlich wurde ihm übel, als hätte er heute Nacht einen viertel Liter Alkohol getrunken und noch ein Viertel dazu.
    »Wer … hat das gesagt?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht. Er
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