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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann
Autoren: Åke Edwardson
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ärgern. Vielleicht hatte Johnny die Platte aber auch mitgeliefert, um Morén zu ärgern. Der Brautmarsch schwebte an ihnen auf dem Steg vorbei und wanderte weiter übers Wasser, über den See zu den Weiden im Westen. Ein Hof am anderen Ufer begann rot zu leuchten, als das Mondlicht stärker wurde in der Dämmerung.
    »Und deswegen das Gedudel da oben?«, sagte Elisabeth.
    »Dafür bist du auf jeden Fall zu jung, Johnny.«
    »Du verstehst schon, was ich meine.«
    »Wie jung wirst du an diesem Neunundzwanzigsten, Johnny?«
    »Fünfunddreißig.« Er lächelte. »Nicht jung und noch nicht alt.«
    »Ich bin erst dreiunddreißig«, sagte sie.
    »Ich hab gedacht, Frauen reden nicht über ihr Alter?«
    »Warum sollte ich das nicht tun? Warum sollte ich es geheim halten?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete er. »Es ist gut, wenn man keine Geheimnisse hat.«
    Das Gefiedel war zu Ende. Morén wählte eine neue Platte. Sie hörten ein kurzes Intro und einen Bass, Schwedisch.
    »Was ist das?«, fragte sie. »Das kommt mir bekannt vor.«
    »Vierunddreißig«, sagte er. »Die ist grad herausgekommen. Um die reißen sich alle. Die wird sich lange in den Boxen drehen. Und auf der Hitliste an erster Stelle halten.«
    Sie lauschten Per Myrberg, während sie den Abhang hinaufgingen. Jetzt wird der ganze Krempel abgerissen. Weg mit all dem alten Krempel. Der Dodge und der Duett lauschten gebannt. Myrbergs Stimme steigerte sich zu einem unklaren Vibrato.
    »Ein Elvis ist er nicht gerade«, stellte Johnny fest.
    Er brachte sie nach Hause. Der Waldgeruch war jetzt intensiver geworden. Zwischen den Bäumen war es dunkler. Plötzlich sagte sie, dass sie tagsüber an Kennedy gedacht habe. Er antwortete, er habe auch an ihn gedacht.
    »Im Radio haben sie über einen Präsidentschaftskandidaten gesprochen«, sagte sie. »Deshalb hab ich an ihn gedacht.«
    »Das hab ich auch gehört.«
    »Wo warst du, als du erfahren hast, dass Kennedy erschossen wurde?«, fragte sie.
    »Haben wir darüber nicht schon geredet?«
    »Ich hab’s plötzlich vergessen.«
    »Ich war in einem Lokal im Norden«, sagte er, »hab eine kaputte Seeburg repariert.«
    »Ich war auch in einem Lokal.« Sie lächelte.
    »Es war abends.«
    »Jemand kam rein, der es im Autoradio gehört hatte«, sagte sie. »Mir wurde ganz … kalt.« Sie sah ihn an. »Es war zwar ein kalter Abend, aber mir wurde anders kalt.«
    »Mhm.«
    »Eigentlich komisch. Er war doch nicht unser Präsident.«
    Sie bewegte den Kopf und er konnte ihr Gesicht sehen.
    »Aber es kam wohl daher, weil es so schrecklich war. Dass so was passieren kann. Er schien so … so gut.« Ihre Augen blitzten in der schwachen Straßenbeleuchtung auf. »Hier könnte das doch nie passieren, oder? In unserem Land? Dass der Ministerpräsident auf offener Straße erschossen wird?«
    »Nein«, sagte Johnny. »Hier könnte das nie passieren.«
     
    Er bog in die Kreuzung ein. Alle Fenster in den Häusern waren dunkel, nur ihres nicht. Sie parkten auf der Straße.
    »Ich mag nicht in eine dunkle Wohnung kommen«, sagte sie und sah zu den beiden erleuchteten Fenstern im dritten Stock hoch.
    »Das wird schon wieder gut.«
    »Was wird wieder gut, Johnny?«
    Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch zum offenen Seitenfenster hinaus.
    »In der Tat, ich weiß es nicht.«
    Sie öffnete die Autotür und fragte:
    »Wo schläfst du heute Abend?«
    »Ich fahr nach Hause.«
    »Aber du brauchst doch mindestens drei Stunden.«
    »Vier mit dem Duett«, sagte er und schnippte die Asche auf den Gehweg, der im Schein einer Straßenlaterne matt glänzte.
    Sie lachte zum zweiten Mal an diesem Abend, diesmal noch kürzer. Er sah sie an und hielt die Hand mit der Zigarette zum Fenster hinaus. Ein Windhauch ließ die Zigarette aufglühen, als ob der Wind im Vorbeiwehen einen Zug genommen hätte.
    »Darf ich mal bei dir telefonieren, Elisabeth?«
    In ihren Augen blitzte es auf, das Grau. Die Straßenlaterne war fast wie eine Sonne in der Sommernacht.
    »Jetzt? Willst du so spät jemanden anrufen?«
    Johnny nickte zur Uhr am Armaturenbrett.
    »Es ist noch nicht mal halb zwölf.«
    Er sah, dass sie zögerte.
    »Es ist kein Trick, das weißt du. So gut kennst du mich doch.«
    Wortlos stieg sie aus. Er stieg auch aus, ließ die Kippe fallen und zertrat sie.
     
    Im Treppenhaus roch es nach Kohl. Jemand briet im späten Hochsommer Kohl. In ihrer Wohnung roch es nicht nach Kohl. Sie hatte die Balkontür offen stehen lassen. Die Wohnung lag ganz oben,
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