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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann
Autoren: Åke Edwardson
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kannst. Ich kann. Dann gehen wir also. Komm, John. Ich nehm dich an die Hand. Gib mir deine Hand, John.
    Er betrachtete seine Hand, die rot gefärbt war vom Rollo, an dem er jetzt zog. Die Hand war genauso durchsichtig wie das Rollo. Die Sonne stieg hinter Blomstrands Autowerkstatt auf. Sie traf seine Augen, als das Rollo über ihm verschwand.
    Er kochte Kaffee und blieb einige Minuten am Tisch sitzen.
    Es war kein Traum. Es war eine Erinnerung, die ihn im Schlaf heimgesucht hatte. Sie waren gegangen. Er hatte geweint, und dann hatte er gelacht, als Seved etwas Lustiges sagte. Das konnte Seved gut. Einmal hatte er sogar etwas Lustiges gesagt, als die Droschke kam, um sie abzuholen. Einmal hatte er etwas Lustiges zu sagen versucht, als die, die in der Droschke saßen, sie wieder getrennt hatten, aber da hatte John nicht gelacht, er hatte geweint wie immer, den ganzen Weg zurück zum Kinderheim hatte er geheult.
    In einem Sommer war Seved aus einem Ferienlager abgehauen. Viele Kinder hauten ab, hatte Seved erzählt, aber höchstens hundert Meter in den Wald hinein. Seved war richtig abgehauen, durch den ganzen Wald, bis auf die andere Seite. Seved hatte draußen vor seinem Fenster gestanden und geflüstert, bis er aufgewacht war. Jooohn. Joooohn. Es war so still gewesen, dass er davon wach wurde.
    Johnny nahm einen Schluck Kaffee. Er sah Seveds Gesicht vor sich, versuchte es so deutlich wie möglich zu sehen, er bemühte sich jeden Tag, damit es nicht verblasste und verschwand. Solange er Seved sehen konnte, war er nicht einsam. Es gab ihn und Seved, solange er ihn sehen konnte. Bergman Brothers & Company. Das klingt doch gut?, hatte Seved einmal mitten auf einem Feld gesagt. In dem Moment waren sie die Einzigen auf der Welt gewesen. Wer ist Company?, hatte John gefragt. Das ist all das andere, hatte Seved geantwortet und traurig ausgesehen. Das, wovor wir abhauen.
    Lange Zeit später hatte Johnny gedacht, dass Seved hier hätte stehen und auf die einzige Box zeigen können, mit der er als Aufsteller begonnen hatte, eine in Deutschland erbaute Wurlitzer Lyric. Das ist Company, hätte er sagen können. So hätte es sein können. Bergman Brothers & Jukebox Company. Und er, Johnny, hätte seinem großen Bruder erzählt, dass es eine weitere deutsche Marke mit Namen Bergmann gab. Nicht viele wussten das. Als er anfing, wusste er es allerdings auch nicht. Er hätte Seved auch erzählen können, dass er jetzt Johnny genannt wurde, nicht John. Aber das hätte Seved natürlich gewusst, wenn er dort gestanden hätte.
    Das Telefon auf der Anrichte schrillte. Johnny sah auf die Uhr: acht.
    »Hallo?«
    »Endlich bist du zu Hause!«
    »Hallo, Stig.«
    »Ich hab den ganzen Abend versucht, dich zu erreichen.«
    »Ich war bei einer Tanzbühne draußen.«
    »Deine verdammte Würstchenbude hat gestern Abend schon vor sieben ihren Geist aufgegeben«, sagte Stig Karlsson, Besitzer vom Café Trekanten.
    »Wo liegt der Fehler?«
    »Ich glaub, es ist der Antriebsriemen.«
    »Ich hab dir doch gezeigt, wie man ihn wieder einlegt.«
    »Meinst du, ich hätte das nicht versucht? Volles Haus, Johnny, ausnahmsweise waren gestern Abend Leute da. Es war ein Fußballverein aus dem Westen, der hier im Trainingslager ist. Sie haben die Mädchen der ganzen Stadt angeschleppt, und dann gab’s keine Musik.«
    »Tut mir Leid, Stig.«
    »Das ist nicht das erste Mal.«
    »Was? Dass es mir Leid tut?«
    »Genau. Und dass der Riemen streikt. Und dass es ausgerechnet in dem Moment passiert, wenn endlich mal Gäste da sind.«
    »Ich komme.«
    »Hast du keine andere Box?«
    »Du hast die Beste, die es gibt«, antwortete Johnny.
    »Vom Ton her, ja. Aber alles andere muss dann auch funktionieren.«
    »Ich komme zu dir.«
    Johnny nahm rasch einen Schluck Kaffee, der kalt geworden war und bitter schmeckte. Er zog eine Grimasse, goss den Rest weg, ging ins Bad, wusch sich hastig das Gesicht und putzte sich die Zähne mit einer Zahnbürste, die längst hätte ausgetauscht werden müssen. Das hatte er schon vor einem Monat gedacht. Die struppigen Zahnborsten stachen ihn ins Zahnfleisch.
     
    Die Sonne war stark und stand jetzt einen Meter über Blomstrands Werkstatt. Er setzte sich die Sonnenbrille auf und ging hundert Meter auf der Sturegatan entlang, bog nach links ab und folgte der Hemgatan in südlicher Richtung, an der Würstchenbude bei der Caltex-Tankstelle vorbei und ging weiter zum Trekanten. Stig hatte die Jukebox in seinem Lokal Würstchenbude genannt und gar
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