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Der Jünger

Der Jünger

Titel: Der Jünger
Autoren: Sharon Sala
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Tragödie passieren musste, damit die Menschen sich an ihren Nächsten erinnerten.
    Ben wich nicht von ihrer Seite, nicht einmal, als sie untersucht wurde. Sie war die Heldin in diesem folgenschweren und schicksalhaften Drama. Und er war unendlich stolz auf sie. Dennoch wäre sie fast ums Leben gekommen. Die Situation war außer Kontrolle geraten, und das hätte nie und nimmer passieren dürfen. Er war doch der Polizist, der Freund und vor allem der Helfer! Der Anblick, wie Carpenter sich auf January gestürzt und sie gewürgt hatte, ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf. Wäre er nur einen Augenblick später gekommen, hätte es sie das Leben gekostet.
    Wenn January gewusst hätte, was in Ben vorging, hätte sie ihm geraten, das alles endlich zu vergessen. Seit sie ihr Elternhaus verlassen hatte, war sie für sich selbst verantwortlich, und niemand, nicht einmal die Liebe ihres Lebens, würde ihr jemals sagen können, was sie tun und was sie lassen sollte. Sie hatte das von Anfang an klargestellt und dachte noch immer so. Wenn sie sich nicht als Lockvogel zur Verfügung gestellt hätte, wäre sie in ihrem Leben nicht mehr mit sich selbst ins Reine gekommen.
    Mutter Mary Theresa war auf dem Weg der Besserung, doch zwei weitere Tage ohne ärztliche Hilfe hätte sie nicht lebend überstanden. Was die übrigen Entführten betraf, die Carpenter seine Jünger genannt hatte, so konnte January nicht an sie denken, ohne wieder in Tränen auszubrechen. Das Maß ihrer Leiden war einfach unglaublich. Dass sie nicht aufgegeben hatten, an das Leben zu glauben, zeigte nur ihren Mut. Und sie sorgte dafür, dass die Welt davon erfuhr.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben befand sich January auf der anderen Seite der Kamera, diesmal nicht als die unvoreingenommene Reporterin, sondern als eines der Opfer, und es war sogar noch anstrengender, als sie gedacht hatte.
    Sie hatte ihren Bossen klargemacht, dass der erbärmliche Zustand der Opfer genügend ausgeschlachtet worden war. Was sie der Öffentlichkeit zeigen wollte, war die Einzigartigkeit jedes einzelnen der Opfer – wie der Verlauf ihrer Lebensgeschichte ihnen letztendlich die Kraft gegeben hatte, dieses Drama durchzustehen. Und sie wollte über die verwundete Seele des Matthew Farmer sprechen, der die Hoffnung aufgegeben und sich erhängt hatte.
    Während die Opfer im Krankenhaus behandelt wurden, führte man bei Jay Carpenters Leichnam eine Autopsie durch. Es überraschte niemanden, dass ihn ein einziger Schuss ins Herz getötet hatte und der Tumor in seinem Gehirn nicht kleiner geworden war. Nur die merkwürdigen Verbrennungen und Bläschen in seinem Gesicht konnte sich der Leichenbeschauer nicht erklären.
    Sowohl die Polizei als auch der Gerichtsmediziner stellten ihre eigenen Vermutungen darüber an. Allein January war sich ganz sicher, die Ursache zu kennen. Aber darüber wollte sie sich öffentlich nicht äußern. Hauptsache, es war vorbei.
    Es schien Ironie des Schicksals zu sein, dass Jay Carpenter vorher seinen Wunsch schriftlich festgehalten hatte, verbrannt zu werden. Daher wurden seine sterblichen Überreste nun dem Feuer übergeben.
    Irgendwie passte das alles auf eine seltsame Weise perfekt zusammen.
    January hatte Urlaub bekommen und war bereits seit zwei Tagen zu Hause. Immer wieder tauchten die schrecklichen Erinnerungen und Bilder unvermittelt vor ihrem inneren Auge auf und schnürten ihr die Kehle zu.
    Ihre Wunden heilten, die Blutergüsse verblassten langsam, doch ihre Kehle schmerzte immer noch fürchterlich. Sie hatte sich fest vorgenommen, das Schicksal der anderen Entführten nicht aus den Augen zu verlieren, und zum größten Teil war sie von dem, was sie hörte, sehr erfreut.
    Thad Ormin war nach Hause zu seiner treuen und liebevollen Frau Millie zurückgekehrt.
    Simon Peters wohnte wieder im Obdachlosenheim, zusammen mit den beiden Männern namens James, die ihre Streitigkeiten beigelegt hatten, und dem anderen Simon, der schwor, seine Abhängigkeit vom Alkohol besiegt zu haben.
    Andrew war von einem Onkel im Fernsehen wiedererkannt und zurück in die Familie geholt worden.
    John Marino, der seinen Lebensunterhalt damit verdient hatte, den Abfall anderer Leute nach Wiederverwertbarem zu durchsuchen, bekam einen Job bei der städtischen Müllabfuhr von D.C.
    Phillip Bentons Frau war drei Tage nach der Ausstrahlung der Fernsehreportage mit zwei Bustickets erschienen, damit beide zusammen zurück nach Kentucky fahren konnten.
    Jude verließ D.C. noch am Tag
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