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Der Jünger

Der Jünger

Titel: Der Jünger
Autoren: Sharon Sala
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getrocknete Blut von der Wunde an ihrer Stirn und strich über die Blutergüsse.
    “Ich fragte, sind Sie Judith?”
    Es war das erste Mal seit achtzehn Jahren, dass Jude jemanden ihren richtigen Namen sagen hörte. Sie nickte.
    “Die Polizei ist hier. Es wird alles gut.”
    Jude atmete tief durch. Doch ihr Atem entlud sich in einem heftigen Schluchzen. Entsetzt, dass sie anfing, wie ein kleines Kind zu heulen, versuchte sie, sich zu beherrschen, doch je mehr sie sich anstrengte, desto mehr musste sie weinen.
    Ben kam mit einer Flasche Wasser und einer Decke zurückgehastet. “Geht es ihr gut?”, erkundigte er sich.
    January hatte bereits die Blutflecke in der Kleidung der Frau entdeckt. “Ich bin nicht sicher”, erwiderte sie und hüllte Jude in eine Decke.
    “Mir geht's gut”, stotterte Jude. “Ich brauche nur einen heißen Kaffee, eine Badewanne und eine Packung Tampons, dann ist alles in Ordnung.” Sie sah zu Ben hoch. “Sind Sie wirklich ein Cop?”
    “Ja, Ma'am.”
    Jude nickte, als Sirenen im Hintergrund zu hören waren.
    “Ich muss gehen”, sagte Ben. “Bin gleich zurück.”
    Als sie allein waren, blickte Jude zur Seite, als schämte sie sich für das, was sie sagen wollte. “Ich dachte, ich sterbe”, gestand sie, und dann kamen die Tränen erneut.
    January legte ihr den Arm um den Nacken und drückte sie tröstend. “Ich weiß, ich weiß. Genauso ging es mir auch.”
    “Woher wussten Sie, dass ich hier bin?”, wollte Jude von ihr wissen.
    “Ihre Freundin Mitzi aus dem Club Lesbo hat Sie als vermisst gemeldet.”
    Jude kämpfte um ihre Fassung.
    “Ich hätte nicht gedacht, dass ich irgendwelche Freunde habe”, sagte sie schließlich.
    “Nun, Sie haben zumindest diese eine, und zwar eine ziemlich gute”, sagte January. “Sie wollte sich nicht abwimmeln lassen, bevor ihr nicht jemand zuhörte.”
    Jude blickte auf und sah January forschend an. Sie bemerkte die Risse, das Blut und die frischen Blutergüsse in Januarys ramponierten Gesicht.
    “War er das?”, fragte sie.
    “Ja.”
    “Warum?”
    “Ich weiß nicht, was Sie angestellt haben, aber
ich
muss ihn wohl ziemlich wütend gemacht haben”, erwiderte January.
    Jude lachte. Es war ein bisschen kläglich und hielt nicht lange an. Dennoch überraschte es sie beide, dass Jude überhaupt noch dazu in der Lage war.
    Jude wurde schnell wieder ernst und wandte sich zur Seite. Es war ein kurzer schwacher Moment, in dem beide ihre Ängste geteilt hatten, auch wenn nichts weiter gesagt wurde. Ihre Lebenswege hatten sich an diesem dramatischen Schicksalstag gekreuzt. Das schmiedete sie für einen Moment zusammen, und das würden sie nicht vergessen.
    “Sie sind diese Fernsehreporterin, oder?”, fragte Jude.
    “Ja.”
    “Ist er tot?”
    “Ja.”
    Jude zitterte. “Was war mit ihm los? Was zum Teufel wollte er erreichen?”
    January verzog das Gesicht. “Genau, es war der Teufel, der dafür gesorgt hat, dass er diesen Weg einschlug. Und ich würde sagen, am Ende ist er bei genau demselben wieder gelandet.”
    Dann hörte sie Ben nach ihr rufen.
    “Ich muss kurz rausgehen”, sagte sie. “Aber ich bin nicht weit weg, nur draußen vor der Tür. Okay?”
    Jude zog sich die Decke bis unters Kinn und zuckte mit den Schultern. “Sorgen Sie nur dafür, dass die mich nachher hier nicht vergessen.”
    “Das passiert auf keinen Fall”, versicherte January und eilte hinaus.
    Ben stand neben Carpenters Leichnam. Er hatte ihn herumgedreht und starrte dem Mann ins Gesicht.
    “Was ist?”, fragte January.
    “Was hältst du davon?”, sagte Ben und deutete auf das Gesicht des Straßenpredigers.
    January blickte hinunter. Das Blut schien ihr in den Adern zu gefrieren, und ein Schauer des Entsetzens jagte über ihre Haut.
    Carpenter hatte die Augen weit geöffnet, ebenso den Mund. Seine Gesichtszüge wirkten, als wären sie mitten in einem Schrei eingefroren. Doch das Seltsamste an ihm war seine Haut. Sie sah aus, als hätte die Sonne sie verbrannt und teilweise sogar fast verkohlt. Dabei hatte er während ihres Kampfes um Leben und Tod noch ganz normal ausgesehen.
    Als sie sich hinhockte, um es sich näher anzusehen, bemerkte sie winzige Bläschen, direkt unter der Haut.
    Sie keuchte erschreckt, sprang auf und wich zurück.
    Ben legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie fest an sich. “Hast du das gesehen?”, fragte er.
    Sie nickte.
    “Was ist mit seinem Gesicht passiert?”, wollte Ben wissen. “War das vorher schon so oder
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