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Der Jünger

Der Jünger

Titel: Der Jünger
Autoren: Sharon Sala
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mir.”
    Unbewusst hielt Ben die Luft an. Er stellte seinen Kaffee ab und zog sie zu sich herüber, bis sie zwischen seinen Beinen saß, den Rücken gegen seine Brust gelehnt und seine Arme fest um sie geschlossen.
    “Süße, bist du krank? Warst du beim Arzt?”
    “Nein, so meinte ich das nicht.”
    “Wie dann?”
    “Es geht was in meinem Kopf vor. Vielleicht brauche ich einen Seelenklempner. Womöglich ist es nur so eine Art von leichtem Posttrauma.”
    “Das hört sich so an, wie 'ein bisschen schwanger' zu sein”, murmelte Ben, dann sah er sie grinsend an. “Was, von meinem Standpunkt aus betrachtet, eine gute Nachricht wäre.”
    Sie brachte ein Lächeln zustande. “Na ja, es ist gut zu wissen, dass du dieses Ereignis begrüßen würdest, aber du kannst ruhig aufatmen. Das ist es nicht.”
    Er zuckte mit den Schultern. “Wollte es dich nur wissen lassen. Nur vorsichtshalber. Also, was ist los?”
    January seufzte, dann entspannte sie sich. Alles schien in Benjamin Norths Armen so viel einfacher zu sein.
    “Ich glaube, ich werde verfolgt.”
    Er zuckte zusammen. Das war das Letzte, was er erwartet hätte. Trotzdem war er erstaunt darüber, wie sehr ihn diese Nachricht überraschte. “Carpenter?”
    “Ja.”
    “Albträume?”
    “Ja, aber das ist nicht alles. Ich glaube ständig, ihn irgendwo zu sehen … Im Supermarkt oder in einem Taxi auf der Straße. Einmal dachte ich, ich wäre auf dem Fußgängerweg an ihm vorbeigegangen, aber als ich mich dann umgedreht habe, war niemand da.”
    Ben runzelte die Stirn und zog sie enger an sich heran. Er war fassungslos, dass sie ihm bisher nichts davon erzählt hatte.
    “Du solltest zu einem Arzt gehen”, schlug er vor. “Rede über alles und versuche zu verstehen, dass das, was passiert ist, nicht deine Schuld war.”
    “Darum geht es nicht”, widersprach sie. “Es sind keine Schuldgefühle. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, aber es ist fast so, als wenn … als wenn …” Sie boxte sich gegen das Bein, und dann schlug sie die Hände vors Gesicht. “Oh Gott … Das klingt so verrückt.”
    “Sag es einfach. Nachdem ich gesehen habe, wie du den Fall aufgeklärt hast, bin ich absolut davon überzeugt, dass du alles andere als verrückt bist.”
    “Na gut. Ich sag's dir, aber behaupte nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Ich glaube, dass ich ihn immer noch sehe, weil irgendetwas noch nicht erledigt ist.”
    “Was meinst du damit?”
    “Keine Ahnung. Er hat so große Pläne darüber geschmiedet, wie er der Hölle entfliehen könnte. Aber alles, was er getan hat, schien ihn seinem Untergang immer nur näherzubringen. Ich verstehe die Erklärung der Ärzte, dass er wegen des Tumors nicht in der Lage war, Realität von Fantasie zu unterscheiden oder Richtig und Falsch. Und es hieß, dass für ihn all die schrecklichen Dinge, die er getan hat, vollkommen richtig und logisch waren.”
    “Ja … und?”
    “Dann haben wir also letztendlich einen kranken Mann verurteilt, richtig?”
    Ben runzelte die Stirn. “So habe ich das tatsächlich noch nie betrachtet.”
    “Vielleicht war er nicht nur schlecht. Vielleicht waren das in diesem Fall nur die Symptome seiner schrecklichen Krankheit. Und wenn das so ist … Würde Gott einem Menschen dafür die Schuld geben oder ihm aufgrund seines Leidens vergeben?”
    “Himmel, da fragst du den Falschen. Ich glaube, du solltest lieber mit einem Priester darüber sprechen.”
    January dachte kurz darüber nach, dann kam sie zu einem anderen Schluss.
    “Ich werde zu Mutter Mary T. gehen, nicht zu einem Arzt oder Priester”, sagte sie.
    “Willst du, dass ich mitkomme, wenn du sie besuchst?”
    “Vielleicht. Aber wenn ja, würdest du dann einfach danebensitzen und zuhören, ohne deinen Kommentar abzugeben? Ich will dich nicht verletzen, aber das muss ich mit mir ganz allein ausmachen.”
    Es tat Ben weh, zu sehen, wie durcheinander sie war und wie groß ihre Angst war, ihn zu verletzen.
    “Süße, du kannst mir nicht wehtun, und ich bin mehr als froh, wenn ich nichts sagen muss. Religion ist nicht gerade mein Spezialgebiet!”
    “Okay”, sagte sie. “Dann werde ich sie anrufen.”
    Mutter Mary Theresa wartete im Garten auf sie. Auf dem Tisch neben ihrem Stuhl stand ein Tablett mit Tee und Keksen, ihre Hände lagen im Schoß, einen Rosenkranz locker um die Finger gewickelt.
    Sie wirkte zerbrechlicher als früher, aber ihr Verstand arbeitete immer noch messerscharf. Seit Ben und January angerufen
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