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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg
Autoren: Inka Ehrbar
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ein schönes Zimmer. Der Wirt führt mich in sein Restaurant und beköstigt mich mit allem, was er zu bieten hat. Es gibt Tortilla, Fisch, Oliven, eingelegte Paprika, Gurken und Anchovis, einen Riesensalat mit Thunfisch und dazu guten spanischen Rotwein, ein richtiges Festmahl!
    Spät abends telefoniere ich mit Walti und bin rundum zufrieden. Die vierte Blase und den Sonnenbrand auf meinen Armen registriere ich nur am Rande.
     

6. Wandertag: Nájera – Santo Domingo – 21 km
     
    Zunächst geht es durch einen Pinienwald. Ich bin begeistert von den hohen Stämmen, die wie Wolkenkratzer in den Himmel ragen und oben eine schirmförmige, flache Krone tragen.
    Mit Rücksicht auf meine Reisegefährtin, die sich bergauf wie eine Schildkröte bewegt, trippele ich wie ein kleines Kind.
    Dann liegen wieder diese herrlichen, weitläufigen Weinfelder vor uns, auf denen ich mich behaupten kann. Was da so alles kreucht und fleucht! Ich schaffe es kaum, überall gleichzeitig zu sein. Ich laufe und trabe, schleiche mich an, stürme los...
    Aber wo ist Inka? Ich höre sie überhaupt nicht schreien. Ist sie etwa in die falsche Richtung gegangen? Hoffentlich ist ihr nichts passiert?
    Also, nichts wie zurück.
    Aha, da ist sie ja.
    Sie freut sich mich zu sehen, breitet beide Arme aus und lacht. Ich auch. Ich meine, ich freue mich ebenfalls, denn es gibt ein ,Guetzli’, wie bei uns in der Schweiz die Leckerchen heißen. Ich schmatze still vor mich hin und bin erleichtert. Inka scheint endlich kapiert zu haben, dass ich die Sicherung nach vorn übernommen habe und nicht ständig bei ihr sein kann.
    Das erste Dorf erreichen wir nach ungefähr einer Stunde. Nach und nach treffen wir auf vertraute Gesichter. Natürlich freuen sich alle mich zu sehen. Sie streicheln mich und reden pausenlos auf mich ein. Schon kapiert. Ich posiere wieder fürs Familienalbum. Ja, das ist nun mal so, wenn man ein Star ist. Es wird vermutlich nicht mehr lange dauern, dann werde ich Autogramme geben müssen.
    Weiter geht’s über Wiesen und Felder. Die Sonne scheint herrlich warm auf meinen Pelz. Die Arbeit, die es zu bewältigen gilt, mache ich mit links. Links und rechts vom Weg sind tiefe Gräben. Ich kümmere mich um Mäuse, Heuschrecken und anderes Getier und genieße den Tag auf meine Art.
    Trotz unseres Nickerchens am Mittag erreichen wir unser Ziel schnell. Inka steuert diesmal ein Hotel an. Schwingende Glastür, weicher Teppich... Richtig edier Laden. Also, mal schnell hinlegen, man weiß ja nie, wie lange es hier angenehm bleibt. Vermutlich schmeißen die mich gleich achtkantig raus.
    Inka erkundigt sich nach einem Zimmer. Die Frau an der Rezeption schiebt ihr verstohlen einen Zettel zu und sieht uns mitleidig an, denkt vermutlich, dass es uns sowieso zu teuer ist. Doch wir nehmen das Zimmer. Jetzt muss nur noch der Manager gefragt werden, ob auch ich hier wohnen darf. Und?
    Der Typ scheint mich zu kennen, hat bestimmt schon von mir gehört und sagt freundlich: „Sí.“
    Also dann, rauf ins Zimmer.
    Ah, ausstrecken auf diesem herrlich weichen Teppich und sich augenblicklich wohl fühlen.
    Inka! Was soll das? Tsss, es darf nicht wahr sein. Hat das Radio auf volle Lautstärke gestellt und fängt auch noch an zu singen... Aber darauf möchte ich nicht näher eingehen. Schwamm drüber.
    Verdammt, wo steckt sie denn?
    Hab ich’s mir doch gedacht. Kaum sichtbar vor lauter Schaum liegt sie in der Badewanne, eine Stunde... oder zwei?
    In Höchstlaune kommt sie wieder raus. Aber alle Achtung, sie sieht toll aus. Und wie sie duftet. Vielleicht sollte ich mich auch ein wenig zurechtmachen, denn es sieht irgendwie so aus, als ob sie groß ausgehen wolle. Und richtig. Inka scheint rundum zufrieden zu sein und spendiert uns Eiscreme.
    So ein Tag... ein herrlicher Tag!
     
    Einen Wecker brauche ich nicht; auch eine Armbanduhr wäre nicht nötig. Ich stehe nach dem Erwachen auf, packe alles zusammen und marschiere los. Ich fühle mich unabhängig von all den Zwängen, die ich mir sonst auferlege. Ich habe den Kopf frei, kann über Dinge nachdenken, ob wichtig oder nicht... Eine Wertung? Wozu?
    Bei unserer ersten Rast in einem kleinen Dorf treffen wir die uns inzwischen bekannten Pilger wieder. Warum ich mich freue sie zu sehen? Es ist schwer zu erklären. Ich habe das Gefühl, als ob ein unsichtbares Band die Wanderer auf dem Königsweg miteinander verbinden würde. Wir tauschen unsere Erlebnisse aus, danach geht jeder weiter seines Wegs. Ich bin allein
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