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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg
Autoren: Inka Ehrbar
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das ich ihr zum Nachtisch gebe, versuche ich mein schlechtes Gewissen zu beruhigen.
    Während ein Schäfer mit seiner Herde an uns vorbeizieht, merke ich, wie ich allmählich ruhiger werde. Dass Tila und ich gestern Abend von diesem grässlichen Wirt abgewiesen wurden, hat mich mehr mitgenommen, als ich zugeben will. Allerdings war der uneigennützige Einsatz meiner Pilgerfreunde für mich eine gute Erfahrung. Sie hat mir zwar bei der Suche nach einem Quartier nicht genützt, aber die Gewissheit, mit meinem Problem nicht ganz allein zu sein, hilft mir.
    Beim Anblick riesiger Spargelfelder, die vor mir liegen, schweifen meine Gedanken zurück in die Welt, in der ich tagtäglich lebe. Ich sehe mich als funktionierendes Wesen, das in kürzester Zeit immer mehr schaffen will, das anerkannt werden will, das nach Größerem, Schönerem und Teurerem strebt, das von Dingen abhängig ist, die - wenn es darauf ankommt - nichts wert sind. Will ich das wirklich?
    Unter freiem Himmel verblassen all die materiellen Werte, die ich vor Augen habe. Ich weiß, ich bin auf der Suche nach einem Ideal, nach meinem Ideal. Und ich glaube, ich werde es finden, falls ich mich durch nichts ablenken und verunsichern lasse. Ich muss allein auf mich hören und meine Entscheidungen mit Bedacht treffen. Aber gerade das scheint mir das Schwierigste zu sein. Und doch ist es das Einzige, dem es bedingungslos zu folgen gilt: dem Gesetz des Eigenen. Das, was nur ich in mir trage: mein Verständnis für Freundschaft, Wahrheit und Liebe, die ich leben und annehmen kann.
    Die Kilometer der ersten beiden Tage kommen mir inzwischen wie eine Prüfung vor. Obschon ich in den letzten Jahren viel gewandert bin, habe ich diesmal das Gefühl, als hätten die Blasen an meinen Füßen noch nie so geschmerzt.
    Selbst auf dem Meraner Höhenweg, den ich innerhalb von zehn Tagen hinter mich gebracht habe, hat der Rucksack nicht so zentnerschwer an meinem Rücken geklebt wie gestern. Doch seit heute Morgen ist das Gehen für mich selbstverständlich geworden. Mir scheint, der Kopf ist frei und das eigentliche Abenteuer kann beginnen: das Abenteuer mit mir selbst.
     

4. Wandertag: Los Arcos – Logroño – 29 km
     
    Es geht zwar wieder über Stock und Stein , aber unterwegs ist nichts Besonderes los. Endlich machen wir Pause. Es gibt Thunfisch aus der Dose und gekochten Schinken. Mmh, lecker! Was? Ich soll Brot fressen? Nein, das alte Zeug von gestern iss mal lieber selbst!
    So frisch gestärkt werde ich mich ein bisschen Umsehen. Meine Nase juckt schon wieder so viel versprechend. Ich glaube, es riecht nach Hase. Nichts wie los.
    Inka liebt dieses rote Zeug und ich die Weinberge, wo es wächst. Von hier oben hat man den totalen Überblick. Einfach super! Aber wo ist der Hase? Scheint sich verkrochen zu haben, der Feigling. Stattdessen höre ich Inka laut rufen: „ Tila, du kommst sofort hierher! „
    Manchmal geht mir ihre Unselbständigkeit ziemlich auf die Nerven. Scheint mal wieder den Weg nicht zu finden. Dabei ist es gar nicht so schwer. Immer den gelben Pfeilen folgen, Inka!
    Aber nein. Obwohl ich mit meiner Vielseitigkeit all ihre Schwächen abdecken kann und die beste Begleitung für sie bin, geht sie trotzdem des Öfteren ihren eigenen Weg und ich muss mir ihr Donnerwetter an hören. Dann schrillen bei mir sämtliche Alarmglocken. Ich muss zurück, sonst gibt es wirklich Ärger.
    Inka wiederholt sich. Bereits beim Frühstück hatte sie in ihren Reiseführern geblättert und mir erklärt, wo es heute langgehen soll. Daher weiß ich, dass wir in Torres del Rio angekommen sind. Auf der Kirchenmauer sehen wir die Australier sitzen, denen wir schon in Puente la Reina begegnet sind. Irgendwie trifft man unterwegs immer die gleichen Leute. Macht aber nichts.
    Mal sehen, wie es mit Käse aussieht. Wendy hat nämlich immer etwas für mich.
    Na ja, vielleicht beim nächsten Mal.
    Wendys Idee, mit Christobal in der Kirche zu singen, klingt gut. Warum nicht! Vielleicht sollte ich einfach mitmachen. Zur Übung lege ich kurz den Kopf in den Nacken, um zu heulen wie ein Wolf..., aber da zieht Inka schon an der Leine. Na ja, dann müsst ihr eben auf meinen Beitrag verzichten. Was ich dann höre, klingt trotzdem zufrieden stellend.
    Weiter geht’s und Inka erklärt, dass wir die Landesgrenze zwischen Navarra und La Rioja überschreiten.
    Na und?
    Schon von weitem schlagen Hunde an, würdigen gebührend meine Ankunft im Dorf und winseln ehrfürchtig. Doña Felisa, eine
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