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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg
Autoren: Inka Ehrbar
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Tag bringen wird. Wieso morgen? Diese Reise mit der Bahn ist noch lange nicht zu Ende. Das zunächst ruhige Zugabteil verwandelt sich nämlich nach und nach in ein Tollhaus.
    Kaum bin ich eingeschlafen, ist es auch schon passiert! Inka hat nicht aufgepasst. Und so verlieren wir ab Lyon unsere Plätze, als Massen von jungen Männern in den Zug strömen und dann hin- und hertigern. So geht es stundenlang, ein ständiges Hin und Her, und ich muss immer wieder aufstehen. Als der Zug dann endlich mal hält und ich raus will, darf ich nicht aussteigen, weil Inka Angst hat, uns würde das ganze Gepäck davonfahren. Es ist die Hölle!
     
    Auf Tila bin ich ganz stolz. Sie hat sich großartig verhalten, obwohl die Bahnreise eine ziemliche Tortur gewesen ist.
    Aber irgendwie ist die Nacht vergangen.
    Vom Zug aus kann ich nun auf die Pyrenäen sehen, die wie Zuckerberge in der Sonne liegen. Sie sollten eigentlich der Ausgangspunkt für unsere Wanderung sein. Aber wegen des Schnees entschließe ich mich, in Pamplona zu beginnen.
    Um die Mittagszeit betrete ich direkt hinter der französischen Grenze das spanische Städtchen Irun.
     

14.4. Von Irun nach Pamplona
     
    Die Sonne steht hoch am Himmel, als wir nach unendlich langer Zeit aussteigen können. Ich freue mich riesig auf ein bisschen Auslauf auf spanischem Boden.
    Doch was ist das? Die Leute auf dem Bahnhof schauen Inka und mich böse an und schreien: „No perro!“ Ich verstehe nicht, was die wollen. Und um ehrlich zu sein, es ist mir auch völlig egal. Hauptsache ist: laufen und die Gegend erschnuppern.
    Ja, es riecht gar nicht so übel in diesem Städtchen.
    Der ausgiebige Spaziergang ist richtig erholsam und tut uns beiden gut. Danach geht es zurück zum Bahnhof, schließlich wollen wir heute noch nach Pamplona.
    Plötzlich wieder dieses Geschrei: „No perro!“
    Auf einmal kapiere ich: die meinen mich! Ich darf in Spanien nicht in einem normalen Bahnwagen reisen. Auch die dicke Frau am Busschalter gebärdet sich wie eine wild gewordene Katze und faucht: „No perro.“
    Das darf nicht wahr sein. Ich soll doch tatsächlich zu den Koffern und Rucksäcken in den Gepäckraum. Ich!!! Aber das lässt Inka natürlich nicht zu. Auch wenn unsere Reisekasse schon am ersten Tag ziemlich geplündert wird, nehmen wir ein Taxi.
    In Pamplona angekommen suchen wir ein Zimmer für die Nacht. Wieder heißt es: „No perro!“ Schließlich finden wir dann doch eins und ich kann endlich mal ungestört liegen bleiben.
    Bevor ich einschlafe, denke ich an ein paar Artgenossen, die ich zufällig am späten Nachmittag beim Stadtrundgang getroffen hatte, und bedauere sie zugleich.
    Nachdem ich ihnen erzählt hatte, dass ein Gärtner in der Nähe der Universität unter fürchterlichem Gezetere versucht hatte, mich nass zu spritzen, winkten sie müde mit ihren Pfoten ab. Sie berichteten von weitaus schlimmeren Gräueltaten, die sie tagtäglich erleben würden.
    „Das tun die Leute bloß, weil wir Hunde sind“, jammerte einer von ihnen. Ich hielt dagegen: „Ich bin zwar auch nur ein Hund, aber was für einer...!“
     
    Auf spanischem Boden muss ich lernen, dass Hunde nicht gern gesehen sind. Die Leute schauen uns an, als wären wir verrückt. Nach all dem Stress am Bahnhof und am Busschalter nehmen wir schließlich ein Taxi.
    Auf dem Weg nach Pamplona sitze ich ziemlich geknickt im Auto. Ich merke, wie Angst in mir hochkriecht. Ist es richtig, den Jakobsweg zu gehen? Ist das Ganze vielleicht eine Nummer zu groß für mich? Was erwarte ich von der Wanderung und was erwartet mich am Ziel?
    Als ich das erste Mal vom Jakobsweg hörte, war ich sofort fasziniert. Dieser Weg, der durch Europa führt, endet letztlich in Santiago de Compostela, einem der bedeutendsten abendländischen Wallfahrtsorte neben Jerusalem und Rom. Nachdem ich mich mit dem historischen Hintergrund des ,camino´ befasst hatte, schien es mir, als warte er nur darauf, von mir neu entdeckt zu werden. Es war genau der Weg, den ich gesucht hatte. Dieser Weg sollte unser Weg werden.
    Ich habe mich so auf die Wanderung gefreut und bin, ehe sie richtig angefangen hat, leicht eingeschüchtert und ein wenig traurig; aber zum Glück ist Tila bei mir. Meine Gedanken kreisen um Zuhause.
    Walti hat mir zum Abschied ein Taschentuch geschenkt. In jede Ecke hat er etwas ganz Persönliches für mich eingeknotet. Ich halte es in meinen Händen und es tröstet mich.
     

1. Wandertag: Pamplona - Puente la Reina - 23 km
     
    Ich kann unseren
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