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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier
Autoren: Ana Veloso
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fürchterlichen Wolkenbruch kommen. Lasst mich Euch schnell zu meinem bescheidenen Hause führen, dort erwartet man uns schon. Um das Gepäck kümmern sich diese Burschen hier.« Er wandte sich ab und gab drei Jungen zwischen zwölf und vierzehn Jahren Anweisungen in einer Sprache, die wohl ein lokaler Dialekt war. Miguel verstand zwar kein Wort, entnahm aber dem scharfen Ton und der strengen Miene von Senhor Furtado, dass er den Jungen das Fell über die Ohren ziehen würde, sollten sie den Auftrag nicht zu seiner Zufriedenheit ausführen. Die drei wackelten mit den Köpfen, als seien sie ein bisschen schwachsinnig, und rannten davon. Miguel hatte das Gefühl, dass er noch lange auf seine Truhe würde warten müssen.
    Dann machte Senhor Furtado eine herrische Geste in Richtung zweier Sänftenträger, die sich daraufhin schnell in Bewegung setzten und die Sänfte direkt vor Miguels Füßen zu Boden ließen. Senhor Furtado ließ Miguel den Vortritt, bellte den Trägern ein Kommando zu, das trotz der weichen Laute dieser einheimischen Sprache als solches zu erkennen war, und setzte sich Miguel gegenüber in die Sänfte. Er lächelte, senkte seinen Kopf, legte die Hände in seinem Schoß übereinander und wirkte auf einmal wie der Inbegriff der Unterwürfigkeit. Doch Miguel war nicht entgangen, dass dieser Mann sich durchaus Gehör verschaffen konnte.
    Mit einem kleinen Ruck setzte die Sänfte sich in Bewegung. Es schaukelte ein wenig, und Miguel fand sich allzu sehr an das Schiff erinnert. Er wäre lieber zu Fuß gegangen. Vielleicht war es dieser kleine Anflug von Unwillen, der ihn zu seiner folgenden Rede reizte.
    »So, mein verehrter Senhor Furtado. Erlaubt nun Eurerseits, dass ich mich vorstelle und dem Missverständnis ein Ende bereite: Ich bin Doutor Henrique Garcia Fernandes, Doktor der Jurisprudenz, und ich komme in einer überaus geheimen Mission nach Goa, die das Testament eines meiner hochgeschätzten Mandanten betrifft. An Bord habe ich die Bekanntschaft von Ribeiro Cruz gemacht, der nun vergeblich darauf wartet, von Euch abgeholt zu werden, was dem Knaben sicher nicht schaden kann, denn er ist ein …«
    Schallendes Gelächter unterbrach Miguels Rede. Senhor Furtado, der zunächst blass geworden war, dann jedoch begonnen hatte zu schmunzeln, konnte kaum noch an sich halten. »Das ist gut«, prustete er, »das ist ja köstlich! Ah, ich bin froh, dass wir Euch bei uns haben und nicht Euren Bruder!« Im selben Augenblick merkte er, dass er mit dieser Äußerung ein wenig zu weit gegangen war. »Ich meine«, wiegelte er ab, »Ihr scheint ein recht humorvoller Geselle zu sein, während es von Eurem Herrn Bruder heißt, er sei nicht unbedingt zu Späßen aufgelegt. Hier in der Kolonie nehmen wir das Leben lockerer als in Portugal.« Senhor Furtado wischte sich die Stirn mit einem weißen Tuch ab. Miguel war nicht sicher, ob es die Hitze war, die ihn zum Schwitzen gebracht hatte, oder vielmehr die improvisierte Rechtfertigung nach dem Fauxpas. Er bekam Mitleid mit dem Mann und beschloss, ihn nicht länger zu foppen.
    »Nun gut, ich bin’s wirklich. Aber woher wusstet Ihr es?«
    Senhor Furtado gewann wieder die Kontrolle über sich. »Ihr seid mir sehr genau beschrieben worden. Nach Eurer Abreise ist ein wendigeres, schnelleres Schiff nach Portugiesisch-Indien aufgebrochen, das hier bereits vor über einem Monat eingetroffen ist. Es brachte einen Brief Eures Vaters für mich mit. Glaubt mir, nach dieser exakten Beschreibung war eine Verwechslung ausgeschlossen. Im Übrigen hätte ich Euch auch ohne diese Hilfe zu erkennen vermocht: Ihr tragt einen Spitzenkragen von ausgesuchter Qualität, wie ihn sich nur Adlige leisten können – oder der Spross eines sehr wohlhabenden Kaufmanns.«
    Miguel blickte an sich hinab. Besagter Kragen war speckig und zerknittert, aber ja, es stimmte, es handelte sich um ein kostbares Accessoire. »Eure Beobachtungsgabe ist erstaunlich«, lobte er Senhor Furtado.
    »Ich danke Euch.« Senhor Furtado senkte den Blick, doch Miguel hatte das Gefühl, dass die Bescheidenheit nur vorgetäuscht war. »Aber so schwer war es wirklich nicht. Außer Euch war ja kein anderer junger vornehmer Herr an Bord, denn die höhergestellten Persönlichkeiten pflegen nicht auf Frachtschiffen zu reisen. Nur Carlos Alberto Sant’Ana wäre noch in Frage gekommen, aber da ich diesen Herrn persönlich kenne, bestand da keinerlei Verwechslungsgefahr.«
    Täuschte Miguel sich, oder hatte er bei der Erwähnung
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