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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier
Autoren: Ana Veloso
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Mann mittleren Alters, der die anderen vor sich her scheuchte und ihnen Anweisungen gab, bevor er sich mit einer Verbeugung Miguel zuwandte. »Herzlich willkommen im Haus Furtado, Senhor Ribeiro Cruz. Mein Name ist Sebastião, ich bin der Hausdiener und für Euer persönliches Wohl verantwortlich. Was immer Ihr wünscht, lasst es mich wissen, ich werde alles veranlassen. Während der Barbier bei Euch ist, könnt Ihr Euch an dem kleinen Imbiss hier laben«, dabei deutete er auf das Tablett mit dem fremdartigen Obst und dem merkwürdig geformten Gebäck, »anschließend werdet Ihr im Speiseraum erwartet, wo es ein richtiges Frühstück gibt.«
    Miguel war fassungslos, fügte sich aber klaglos in sein Schicksal. Er nickte, und der Hausdiener verließ rückwärts und gebeugt gehend den Raum. Augenblicklich wurden die anderen aktiv. Miguel wurde einer neuerlichen Rasur unterzogen, sein Schnauzbart und der schmale Kinnbart wurden geölt. Seine Hände und Füße wurden in duftendem Wasser gebadet, ein Junge reichte ihm anschließend, während der Fußmassage, ein Glas Gewürztee, der Alte bot ihm von den Leckereien an. Crisóstomo saß wieder in seiner Ecke und betätigte die Schnur für den Palmwedel.
    Als die Prozedur überstanden war, schickte Miguel die Dienstboten hinaus, doch keiner von ihnen rührte sich. »Geht jetzt, gönnt mir einen Augenblick Ruhe, um Gottes willen.«
    »Haben Euch unsere Dienste nicht genügt, Senhor?«, flüsterte der Alte, den Blick zu Boden gerichtet.
    Miguel ging ein Licht auf. Natürlich, ohne ein Trinkgeld konnte er sie nicht einfach fortschicken! Er zückte seinen Geldbeutel, förderte für jeden der fünf sowie für Crisóstomo eine Münze zutage und verteilte sie. Die Freude darüber hielt sich in Grenzen, doch immerhin hatten die Männer den Anstand, nun sein Zimmer zu verlassen. Einzig der Junge an der Zehenschnur blieb.
    »Ehm … wenn ich etwas anmerken dürfte, Senhor?«
    »Ja?«
    »Ihr dürft nicht jedem das Gleiche geben. Die jungen Hausburschen hätten sich auch über sehr viel weniger gefreut. Und die Männer in höheren Positionen oder in reiferem Alter brüskiert man, wenn man sie mit demselben Betrag abspeist wie die Jungen und Unerfahrenen.«
    »Selbstverständlich.« Miguel schämte sich seiner Unwissenheit. Nun gut. Beim nächsten Mal würde er es besser machen. »Danke, Crisóstomo.«
     
    Später, nachdem er mutterseelenallein sein opulentes Frühstück eingenommen und erfahren hatte, dass Senhor Furtado bereits seit Sonnenaufgang bei der Arbeit war, schlenderte Miguel durch die Gassen der Stadt. Eine Sänfte hatte er abgelehnt. Der Spaziergang bekam ihm gut, er hatte allzu lange keinen festen Boden unter den Füßen gehabt. Das Viertel, in dem Furtados Haus lag, war ein ruhiges Wohngebiet, doch wenige Straßenzüge weiter bevölkerten viele Leute die Gassen. Miguel ließ sich einfach treiben, genoss das Gefühl des auffrischenden Windes auf seiner schweißbenetzten Haut und bestaunte das bunte Völkergemisch, in dem er überhaupt nicht auffiel. Da waren indische Damen, die in seidene Saris gehüllt waren, und solche, die europäische Kleidung trugen; da gab es Männer mit großen Turbanen und solche mit französischen Musketierhüten; neben Indern aller Hautfarben von ganz hell bis fast schwarz sah er Araber, Europäer und Ostasiaten. Die Hauptstadt Goas war unübersehbar eine florierende Handelsmetropole, in der jeder, der etwas kaufen oder verkaufen wollte, willkommen war. Dabei schien es niemand hier eilig zu haben, was Miguel erstaunte. Die Kaufleute in seiner Heimat waren für ihre Hast berühmt. Ob es am Wetter lag? Zwar schien noch die Sonne, doch es dräute bereits am Horizont. Es war heiß und schwül, und jede überflüssige Bewegung schien einen neuen Schweißausbruch zu erzeugen.
    Um die Mittagszeit, so hatte man Miguel ausgerichtet, würde Senhor Furtado sich freuen, wenn sein Gast mit ihm gemeinsam eine Mahlzeit einnahm. Man hatte ihm den Weg zu dem Kontorhaus beschrieben, das in der Nähe des Hafens lag. Miguel schätzte, dass er sich demnächst dorthin begeben sollte. Er fragte sich durch, und so erreichte er kurze Zeit später das Kontorhaus, ein gelbes zweigeschossiges Gebäude, über dessen Eingangstür in prachtvollen Goldlettern der Name des väterlichen Handelshauses prangte. Ein diffuses Gefühl von Stolz überkam Miguel, vermischt mit einem Schuss Enttäuschung. Ribeiro & Filho – Ribeiro & Sohn – stand da. Und dieser Sohn war nicht er,
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