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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen
Autoren: Niklaus Schmid
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Gefallen schuldete, hatte ich mir die Gegend angesehen und dabei ein paar Fotos gemacht.
    Ich parkte meinen Passat Kombi in gehörigem Abstand und schnappte mir einen Bauhelm vom Rücksitz. Es gab unauffälligere Gesichter als meins, und mit einer Kopfbedeckung konnte ich vom Gröbsten ablenken. Außerdem war so ein Schutzhelm ja auch nützlich gegen harte Gegenstände aus der Höhe.
    Ich klemmte mir noch eine Aktenmappe unter den Arm, in der nichts als alte Zeitschriften steckten, und marschierte über die Straße. Wenn man sich einen Überblick verschaffen will, hat es wenig Sinn, heimlich zu beobachten. Meiner Meinung nach ist das viel zu auffällig.
    Mit der rotweißen Absperrung und den Warnschildern sah die Baustelle proper aus. Ich lief durch den überdachten Gehweg, der entlang dem Gebäude zu dem Hauseingang führte. Einen anderen Zugang gab es nicht. Die Plastikplanen filterten das Außenlicht zu einer Aquariumbeleuchtung. Um mich anzumelden, polterte ich in dem Treppenhaus, das mit Bohlen ausgelegt war, mehr als unbedingt nötig gewesen wäre.
    »Mahlzeit!« rief ich in den Raum.
    In einer Ecke stand ein Teerfaß, umlagert von drei Arbeitern, die ich für Marokkaner hielt und die irgend etwas auf offener Flamme schmurgelten. Abseits davon saßen vier Männer auf Bierkästen um eine Werkzeugkiste. Nur einer von ihnen grummelte etwas. Ich spürte die angestrengte Gleichgültigkeit, die sie mir entgegenbrachten und mit der sie weiter Skat klopften; drei spielten, einer kiebitzte. Wahrscheinlich hielten sie mich für jemanden von der Aufsichtsbehörde.
    »Karte oder ‘n Stück Holz«, ermunterte einer seinen Nebenmann zum Weiterspielen, worauf der auch gleich richtig abzog: »Hier, Kreuz Junge, den kann keiner!«
    Der Mann, der allein gegen die beiden anderen spielte, hatte ein Spitzenblatt, rief: »Pik Junge und die ganze Pikflöte, tak, tak, tak«, und begleitete jeden Ausruf mit einem Faustschlag auf die Kiste. »Alles für mich. Kannst du aufschreiben, Hannes: mit zweien spielt drei, Schneider vier – achtzig für den Onkel!«
    Irgendwo ertönte eine Sirene. Die Männer packten die Karten weg und gingen in verschiedene Richtungen. Einem stellte ich mich in den Weg. Er hatte krauses Haar und ein dickes, unbekümmertes Gesicht. »Was liegt an?« fragte er.
    »Es geht noch einmal um die Sachen von Jan Wieczorek«, klopfte ich auf den Busch.
    »Jan Witsch? Ach so, dem seine Brocken sind doch schon längst abgeholt worden.«
    »Seine Frau sprach von einem Beutel, in dem er immer das Essen mitgenommen hat. Es scheint kleinlich, aber Menschen hängen oft an den seltsamsten Dingen.« Irgendeinen Grund für meinen Besuch mußte ich ja nennen.
    »Tja, der fliegende Russe und seine Butterbrotdose.« Der Kraushaarige fuhr mit dem Daumen am Schweißband seines Helms entlang.
    »Wieso Russe, wieso fliegender?«
    »Russe oder Pole!« Seine Stimme zeigte deutlich, daß er mich nun wirklich für einen Pedanten hielt. Deswegen erklärte er das mit dem »fliegenden« auch erst gar nicht. Er sagte: »Hätt der Jan mit uns Skat gekloppt in der Mittagspause, war ihm das nicht passiert.«
    »Aber er durfte nicht, weil er nicht von hier war, stimmt’s?«
    »Quatsch, ist uns doch egal, wo einer herkommt. Nee, der konnte nicht. Da sieht man mal, was mit denen aus dem Osten los ist. Keinen Schimmer von Skat, obwohl seine Großmutter Deutsche war. Jan, haben wir immer gesagt, mußt zugucken, anders lernst du das nie! Aber nein, bleibt oben und will beim Essen allein sein.«
    »Und da ist es dann passiert. Zufällig was gesehen?«
    »Gesehen nicht, nur gehört.« Er machte ein Geräusch, das den Aufprall veranschaulichen sollte. »Ich muß wieder ran. Die Sachen vom Jan hat die Polizei mitgenommen.«
    »Was wollte die wissen?«
    »Dasselbe wie Sie. Und noch mehr. Aber wir saßen genau wie heute hier an dieser Stelle. Wenn einer reingekommen wäre, hätten wir den gesehen.« Er machte zwei Schritte zur Treppe.
    »Wird dieses Haus hier eigentlich abgerissen?«
    Er blieb stehen, sah über die Schulter. »Wär einfacher. Aber geht nicht, die Fassade muß bleiben, die steht unter Denkmalschutz.«
    Ein dumpfer Schlag, das Haus erzitterte, Kalk rieselte von der Decke. Der Kraushaarige stülpte sich den Schutzhelm auf, und ich machte, daß ich ins Freie kam.
    Draußen stampfte ich den Staub von den Schuhen und setzte mich hinter das Steuer. Beim Anlassen schaute ich zum Dach des schutzwürdigen Hauses. Aber dort, wo das Dach sein sollte,
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