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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen
Autoren: Niklaus Schmid
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nichts. Zuhören ist das Erfolgsgeheimnis, um etwas herauszukriegen.
    »Selbstverständlich hat Vera Pollex mir das nicht direkt gesagt. Aber wenn von Backgammon, Tequila Sunrise und goldenen Kettchen, von Mercedes SL und Porsche Turbo die Rede ist, wo sich Normalurlauber nur einen Seat mieten, dann kann ich mir doch einen Reim darauf machen.«
    »Sicher hast du dir auch schon einen Reim darauf gemacht, wie die Sache ablaufen könnte, oder?« lockte ich.
    Das Wichtigste offenbaren die Leute aus reiner Erzähllaune.
    »Im großen und ganzen schon. Wenn jemand in den genannten Kreisen akzeptiert wird, genügt es, mit einer gewissen Gebärde eine Telefonnummer einfließen zu lassen. Irgendwann meldet sich dann einer, der einen Freund hat, der wiederum jemanden kennt, und mit dem trifft man sich dann. Der Unbekannte kriegt einen Umschlag mit Geld und ein zweites Kuvert, in dem ein Foto des ›überflüssigen‹ Mitarbeiters steckt, der entsorgt werden soll, dazu dessen Name und Angaben über seine Lebensgewohnheiten. Stimmt’s?«
    »So könnte es jedenfalls sein. Ich frage mich nur, wozu du mich noch brauchst.«
    Salm knetete seine Hände, und mir fiel ein Lehrer ein, den wir wegen dieser Angewohnheit Waschbär genannt hatten.
    »Elmar, ich habe gehört, daß du eine Zeitlang auch Leibwächter warst und unter anderem mit einem Spitzengenossen während des Wahlkampfs durchs Revier gezogen bist. Genau das ist es, was ich brauche, jemand, zu dem ich Vertrauen haben kann, jemand, der ein bißchen auf die Umgebung aufpaßt, jemand, der nachforscht, ob die Sache mit dem Unfallspezialisten schon eingestielt ist. Merkst du denn nicht, was mit mir los ist?«
    Er nahm die zusammengepreßten Hände auseinander; sie zitterten. »Ich habe früher gern eine Runde Billard gespielt, heute könnte ich kaum das Queue halten. Meine Nerven flattern. Ich mache mir in die Hose, wenn auf der Baustelle irgendwo eine Schippe umfällt.«
    Er schien seinen Worten nachzulauschen, schien froh darüber zu sein, sie endlich, nach mehr als einer Stunde mühsamer Selbstbeherrschung, ausgesprochen zu haben. Vor einem Fremden – und das war ich ja trotz gemeinsamer Schulzeit – die nackte Angst, ja Panik einzugestehen, dazu gehörte fast wieder so etwas wie Mut. Ich war beeindruckt.
    »Warum hast du mir das alles nicht gleich am Anfang erzählt?«
    »Man muß doch nicht gleich das Letzte von der Zunge zeigen, heißt es im Geschäftsleben bei Verhandlungen. Ich wollte ja auch zunächst sehen, wie du reagierst.« Er atmete tief durch. »Hast du jetzt mal was Anständiges zu trinken?«
    Ich ging zum Kühlschrank, kam mit einer Flasche Korn und einem gekühlten Glas zurück. Ich schenkte ihm ein, nahm selbst einen Schluck Milch.
    Salm kippte den Schnaps, betrachtete meine Fotoausrüstung und trat ans Fenster. Von meiner Wohnung im oberen Stockwerk einer ehemaligen Zigarrenfabrik hat man einen schönen Ausblick auf den Hafen mit seinen Speichern und Halden und den alten Lastkränen, die sich so gemächlich wie Urtiere bewegen oder Stunden stillstehen. Wenn man, wie Salm es jetzt machte, das Fenster öffnete, konnte man durch den allgemeinen Verkehrslärm einer Großstadt das Tuten der Frachtkähne, die Pfeifsignale der Werkbahnen und die Geräusche der noch weiter entfernten Hüttenwerke hören.
    Doch Salms Aufmerksamkeit galt der näheren Umgebung, sein Augenmerk lag auf der Straße, sein Blick wanderte von der rechten Seite zur linken Seite. Ruckartig drehte er sich um.
    »Du, Elmar, wie ist es, kann ich dich hier jederzeit erreichen?«
    »Tag und Nacht. Ich schlafe gern am Arbeitsplatz – und umgekehrt.« Mit dem Kinn deutete ich auf die Tür, hinter der mein Bett stand.
    »Platz hast du hier ja reichlich, Elmar, aber, nimm’s mir nicht übel, du wohnst wirklich noch wie ein Kunststudent. Keine Freundin?«
    »Nichts Festes«, wich ich aus.
    Aber Salm wollte das Thema noch nicht aufgeben. »Erinnerst du dich noch an Helga Schölten? Wir nannten sie Oma Fisch, war zwei Jahre älter als wir, ging mit uns in die Neubauten. Wir mußten im Treppenhaus warten, während sie in einem Raum war und uns einzeln aufrief. Sie stand dann da in einer Ecke, die Schulter an die Wand gelehnt, und der Aufgerufene durfte ihr zwischen die Beine fassen, mehr nicht, mehr konnten wir auch noch nicht. Außer vielleicht Peter Schacht, der schon einen richtigen Männerpimmel hatte, mit Haaren drumherum. Du guckst so, ist dir das peinlich?«
    »Ach wo, nicht die
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