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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition)
Autoren: Simon Beckett
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mit der die Falle im Boden verankert ist. Sie ist sehr kurz und führt zu einem Holzpflock, der zwischen den Baumwurzeln vergraben ist. Mir genügt es, mehrmals daran zu zerren, um zu wissen, dass es Zeitverschwendung ist, sie herausziehen zu wollen.
    Ich sitze auf dem Boden, mein gefangenes Bein lang vor mir ausgestreckt. Mit einer Hand versuche ich, mich in eine etwas bequemere Position zu bringen, und spüre dabei etwas Feuchtes. Die Wasserflasche liegt dort, wo ich sie fallen gelassen habe. Ich reiße sie hoch, obwohl inzwischen fast alles rausgelaufen und in der trockenen Erde versickert ist. Vorsichtig nehme ich einen Schluck, schraube die Flasche zu und versuche nachzudenken.
    Okay, bleib ganz ruhig.
Der anfängliche Schmerz ist einem beständigen Pochen gewichen, das Zahnschmerzen ähnelt und bis in mein Schienbein strahlt. Blut beginnt, das Leder meines Stiefels zu durchnässen. Bis auf das Summen der Insekten ist der vom Sonnenlicht gesprenkelte Wald still. Ich schaue zu den Dächern des Bauernhofs hinüber. Sie sind zu weit weg. Keiner würde mich hören, wenn ich schreie. Aber das will ich auch gar nicht. Jedenfalls nicht, solange ich es vermeiden kann.
    Ich krame im Rucksack nach meinem Taschenmesser. Ich weiß, dass es irgendwo da drin sein muss. Aber bei der Suche stoßen meine Finger auf etwas anderes. Ich ziehe es heraus, und der Anblick trifft mich wie ein Schock.
    Die Fotografie hat Eselsohren und ist verblasst. Ich hatte keine Ahnung, dass sie noch im Rucksack war. Ich habe sogar vergessen, dass es dieses Foto gab. Das Gesicht des Mädchens ist von einem Knick fast vollständig verwischt, ihr Lächeln ist verzerrt. Hinter ihr hebt sich der strahlend weiße Brighton Pier von einem makellos blauen Himmel ab. Ihre Haare sind blond und von der Sonne ausgebleicht. Ihr Gesicht hat eine gesunde Bräune. Sie sieht glücklich aus.
    Mir wird schwindelig. Die Bäume scheinen sich um mich zu drehen, als ich das Foto wieder einstecke. Ich atme tief durch und zwinge mich, jetzt nicht durchzudrehen. Die Vergangenheit ist vorbei. Ich kann nichts dagegen unternehmen, ich kann sie nicht ändern. Die Gegenwart bereitet mir schon genug Sorgen. Ich finde mein Taschenmesser und setze mich zurecht. Das Messer hat eine knapp acht Zentimeter lange Klinge, einen Korkenzieher und einen Flaschenöffner. Leider nichts, um ein Fangeisen zu entschärfen. Ich ramme die Klinge trotzdem zwischen beide Bügel und versuche, die Falle aufzustemmen, aber sie bewegt sich nur ein paar Millimeter und schnappt sofort wieder zu. Ich werfe das kaputte Messer beiseite und schaue mich nach etwas anderem um. In der Nähe liegt ein toter Ast. Er ist außer Reichweite, aber mit Hilfe eines anderen kürzeren Asts kann ich ihn zu mir heranziehen und schiebe dann das dickere Ende zwischen die Bügel. Das Metall gräbt sich in das Holz, aber die Falle beginnt ganz langsam, sich zu öffnen. Ich übe noch mehr Druck aus und beiße die Zähne zusammen, als die Eisenzähne ganz langsam die Umklammerung meines Fußes lockern.
    «Ja! Los jetzt!»
    Der Ast bricht. Die Bügel springen wieder zusammen.
    Ich schreie.
    Als der Schmerz nachlässt, liege ich flach auf dem Rücken. Ich richte mich auf und hämmere mit dem Ast auf den Boden ein. «Scheißding!»
    Ich kann jetzt nicht länger so tun, als wäre die Situation nicht ernst. Selbst wenn ich meinen Fuß befreien kann, bezweifle ich, dass ich mit der Verletzung noch weit komme. Aber das Problem kann ich getrost vernachlässigen. Der Umstand, dass ich mich nicht aus eigener Kraft befreien kann, ist viel beängstigender.
    Bist du jetzt glücklich? Das hast du dir selbst eingebrockt.
Ich blende die finsteren Gedanken aus und versuche stattdessen, mich auf das viel drängendere Problem zu konzentrieren. Mit dem Korkenzieher des Taschenmessers beginne ich, um den Metallstift, der die Falle verankert, die Erde aufzugraben. Ein vergeblicher Versuch, aber wenigstens kann ich meine Wut abarbeiten, indem ich auf Boden und Wurzeln einhacke. Schließlich lasse ich das Messer fallen und sinke wieder gegen den Baumstamm.
    Die Sonne steht inzwischen spürbar tiefer. Es wird noch stundenlang hell bleiben, aber die Vorstellung, die ganze Nacht hier zu liegen, entsetzt mich. Ich zerbreche mir den Kopf, was ich noch tun kann, aber mir fällt nur eins ein.
    Ich hole tief Luft und schreie.
    Meine Schreie verhallen ohne Echo. Ich bezweifle, dass man sie bis zu dem Bauernhof gehört hat, bei dem ich vorhin gewesen bin. Ich
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