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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition)
Autoren: Simon Beckett
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aber hinter mir ist nur das von der Sonne aufgeheizte Asphaltband. Ich habe die Daumen unter die Schulterriemen meines Rucksacks gehakt, um das Gewicht etwas besser zu verteilen. Er fühlt sich schwerer an, sobald ich an das denke, was darin ist. Also konzentriere ich mich lieber darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen und an nichts zu denken.
    Das Dröhnen eines Motors löst sich allmählich aus der aufgeheizten Stille. Ich drehe mich um und sehe etwas am Horizont auftauchen – ein dunkler Fleck, der in der Hitze verschwimmt. Zuerst scheint er regungslos über einer Reflexion seiner selbst zu verharren. Dann tauchen die Räder auf und werden immer länger, bis sie die Straße berühren. Ein blaues Auto hält auf mich zu.
    Ich trete schon aus dem Schatten der Bäume, als ich etwas auf dem Wagendach bemerke. Im nächsten Moment begreife ich, was ich da sehe. Ich springe über den Stacheldrahtzaun und reiße mir dabei die Jeans auf. Wegen des Rucksacks lande ich ziemlich unglücklich. Ohne anzuhalten, stürze ich in den Wald, während das Motorengeräusch lauter wird. Als der Wagen fast auf meiner Höhe ist, ducke ich mich hinter einem Baum und blicke ängstlich zur Straße hoch.
    Der Polizeiwagen braust vorbei. Ich lausche, ob er das Tempo verlangsamt. Aber das Motorengeräusch wird immer leiser, bis es ganz verschwindet. Ich lege den Kopf gegen den Baum. Ich weiß, dass ich überreagiere und dass die französische Polizei vermutlich kein Interesse an mir hat. Aber ich bin zu nervös, um es drauf ankommen zu lassen. Und ich kann nicht riskieren, dass sie meinen Rucksack durchsuchen.
    Ich habe einen bitteren Geschmack im Mund. Blut – bei meiner Flucht habe ich mir auf die Lippe gebissen. Ich spucke aus und nehme die Wasserflasche aus meinem Rucksack. Meine Hände zittern, als ich mir den Mund ausspüle. Danach erst schaue ich mich um, wo ich gelandet bin.
    Der Wald erstreckt sich auf einem abgeflachten Hügel, und in einiger Entfernung kann ich zwischen den Bäumen einen See aufblitzen sehen. Auf der einen Seite sehe ich die Dächer eines Bauernhofs, die auf die Entfernung winzig und unbedeutend wirken. Vermutlich habe ich dort nach dem Wasser gefragt. Ich bin also noch auf ihrem Grund und Boden.
    Ich stehe auf und wische mir den Dreck von der Jeans. Mein T-Shirt klebt mir schweißnass am Rücken. Es ist inzwischen so heiß, dass die Luft zu backen scheint. Wieder blicke ich zu dem See hinüber und wünsche mir, ich könnte darin schwimmen. Aber das wird nicht passieren. Ich muss in Bewegung bleiben. Nach einem letzten Schluck Wasser lasse ich den Baum hinter mir, mache ein paar Schritte und schreie auf. Etwas bohrt sich schmerzhaft in meinen Fuß.
    Ich sinke auf die Knie, als der Schmerz mein Bein hinaufschießt. Mein linker Fuß steckt in einem Paar schwarzer, halbrunder Kiefer. Ich versuche, mich aus der Umklammerung zu befreien, doch bei jeder Bewegung schießt erneut eine sengende Schmerzwelle mein Bein hinauf.
    «Herrgott!»
    Ich verharre und atme tief durch, um die Panik niederzuringen. Ich bin in eine Art Eisenfalle getreten, die unter einem Gewirr aus knorrigen Baumwurzeln versteckt lag. Sie umklammert den Spann bis hinauf zum Knöchel, und die gezackten Eisenzähne haben sich durch das dicke Leder meines Stiefels gebohrt. Sie stecken so tief in meinem Fleisch, dass ich spüre, wie die Spitzen eisig den blanken Knochen berühren.
    Ich kneife die Augen fest zusammen und gebe mir Mühe, den Anblick auszublenden. «Scheiße, Scheiße, Scheiße!»
    Aber das bringt mich auch nicht weiter. Ich schüttle den Rucksack ab und versuche, eine bessere Sitzposition zu finden, um die Kiefer der Falle packen zu können. Sie rühren sich keinen Millimeter. Ich stütze mich mit dem gesunden Fuß an einer Baumwurzel ab und versuche es erneut. Dieses Mal werde ich mit einem winzigen Nachgeben belohnt, aber das ist längst nicht genug. Meine Arme zittern vor Anstrengung, und die Metallrahmen bohren sich mir in die Handflächen. Langsam lasse ich wieder los und lehne mich keuchend zurück.
    Ich sauge an den wunden Stellen an meinen Händen und schaue mir die Falle jetzt genauer an. Eine primitive Vorrichtung, die von ockerfarbenem Rost überzogen ist. Trotzdem kann sie noch nicht allzu lange hier liegen. Das Öl an den Scharnieren scheint noch ziemlich frisch zu sein. Beängstigend frisch, finde ich und versuche lieber nicht darüber nachzudenken, was das bedeuten könnte, sondern widme meine Aufmerksamkeit der Kette,
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