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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt
Autoren: Trevor Shane
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auf. Das Einzige, was mir einfiel, um euch bei eurer Flucht zu helfen, war, mich auf Jared zu stürzen. Als er ins Freie trat, rannte ich zur Tür, vorbei an seinen beiden verwirrten Begleitern. Jared stand auf der Veranda, und ich sah, wie er sich bückte, um etwas aufzuheben. Ich war inzwischen ebenfalls draußen und wild entschlossen, ihn zu attackieren, ihn festzuhalten, ihn irgendwie an seinem Vorhaben zu hindern. Doch dann machte ich meinen einzigen Fehler. Bevor ich mich auf ihn stürzte, blickte ich kurz auf. Ich konnte einfach nicht anders. Ich wollte dich und deinen Vater sehen. Ich wollte wissen, ob ihr beiden in Sicherheit seid, da ich glaubte, ich würde euch womöglich nie wiedersehen. Dein Vater saß auf dem Fahrersitz unseres Autos. Dich sah ich nicht, aber ich wusste, dass du auf dem Sitz neben ihm liegen musstest.
    Ich blickte zu Jared hinüber. Er bückte sich, um das Gewehr aufzuheben. Die beiden Männer, die dein Vater auf der Veranda überrumpelt hatte, lagen bewegungslos da. Ich sah Blut. Sie waren tot. Irgendwie war es deinem Vater gelungen, sie binnen Sekunden zu töten.
    Jared nahm einem der beiden leblosen Körper das Gewehr aus den Händen. Als ich auf ihn zurannte, legte er es an die Schulter. Ich versuchte, schneller zu rennen, doch Jared sah mich kommen. In dem Moment, in dem ich zögerte, in dem Moment, in dem ich aufblickte, um mich zu vergewissern, dass du in Sicherheit warst, sah mich Jared auf sich zukommen. Ich senkte den Kopf, um ihn anzurempeln und umzuwerfen oder zumindest aus dem Gleichgewicht zu bringen, damit dein Vater Zeit hätte, mit dir zu fliehen. Doch bevor ich Jared mit der Schulter rammen konnte, packte er mich mit seiner freien Hand am Hals und hielt mich auf Abstand. Er vergrub die Finger unter meinem Schüsselbein, während er mit der anderen Hand das Gewehr hielt. Er war stark, und ich fühlte mich schwach und hilflos. Dann hob er mich am Schlüsselbein hoch, als würde ich nichts wiegen, und schleuderte mich von der Veranda. Ich fiel zu Boden und drehte mich mehrmals um die eigene Achse. Als ich endlich zum Liegen kam, wandte ich mich um und blickte zum Auto. Alles spielte sich wie in Zeitlupe ab. Ich warf einen Blick zur Veranda und sah, wie Jared das Gewehr anlegte. Er zielte. Er feuerte einen Schuss ab. Ich drehte mich wieder um und sah zum Auto. Jared hatte den rechten Vorderreifen getroffen. Der Wagen geriet ins Schlingern und drehte sich beinahe in unsere Richtung. Trotz der Dunkelheit sah ich deinen Vater verzweifelt gegenlenken. Dann blickte ich wieder zu Jared auf. Er legte für einen zweiten Schuss an, zielte und betätigte den Abzug. Ich hörte Glas zersplittern, bevor ich den Kopf drehen konnte. Als ich mich umwandte, sah ich die geborstene Windschutzscheibe, auf der Zickzacklinien im Glas ein Netz um ein Loch bildeten, das sich exakt vor dem Fahrersitz befand. Jared hatte genau getroffen. Ich wollte schreien, war jedoch wie gelähmt.
    Jared ging zurück zur Haustür und rief nach seinen beiden verbliebenen Handlangern. Er befahl ihnen, herauszukommen und mit ihm zum Auto zu gehen. »Schnapp dir das Mädchen«, sagte er zu einem der beiden, als sie an mir vorbeigingen. Der Mann bückte sich, packte mich an den Haaren und zerrte mich auf die Füße, ohne anschließend meine Haare loszulassen. Stattdessen zog er mich hinter sich her. Ich versuchte stolpernd mit ihm Schritt zu halten. Es tat nicht weh. Ich spürte keinen Schmerz, da ich mich wie betäubt fühlte. Ich betete, dass das Auto leer sein würde, wenn wir dort ankamen, dass es deinem Vater irgendwie gelungen war, auszusteigen und mit dir wegzulaufen. Jared warf mir im Gehen einen hasserfüllten Blick zu. »Du hast meinen besten Freund getötet«, sagte er ohne eine Spur von Ironie. Mein Mund war zu trocken, als dass ich etwas hätte erwidern können.
    Als wir uns dem Wagen näherten und ich dich weinen hörte, verließ mich der Mut. Das Geräusch war gedämpft, aber unverwechselbar. Du musstest vom Sitz auf den Boden gerutscht sein, als das Auto sich gedreht hatte. Für einen kurzen Moment war meine einzige Sorge, ob du dich verletzt hattest. Dann fielen mir all die anderen Dinge ein, deretwegen ich mir ebenfalls Sorgen machen musste. Du warst am Leben. Dafür dankte ich Gott, doch das war auch schon alles, wofür ich dankbar sein konnte. »Du kannst sie loslassen, aber pass auf, dass sie nicht abhaut«, bellte Jared den Mann an, der mich an den Haaren festhielt und mich daraufhin wegstieß.
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