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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt
Autoren: Trevor Shane
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dich mir sprichwörtlich aus den Armen winden.
    »Halt!«, schrie dein Vater, bevor irgendjemand mich berühren konnte. Sein Tonfall war so autoritär, dass alle im Raum einen Moment innehielten. »Entschuldigst du dich wenigstens bei mir, bevor du gehst, Jared?« Dein Vater starrte geradeaus an die Wand. Er sah Jared nicht an, als er sprach. Uns sah er ebenfalls nicht an. Ich dachte, er hätte aufgegeben.
    »Wofür?«, fragte Jared. Er schien überzeugt zu sein, dass er keinen Grund hatte, sich zu entschuldigen.
    »Dafür, dass du mir das Herz brichst«, erwiderte dein Vater. Das waren die traurigsten Worte, die ich jemals gehört habe.
    »Du zuerst, mein Freund«, entgegnete Jared mit dem gleichen Nachdruck. Dann nickte er seinen Begleitern kurz zu, die sich mir daraufhin wieder näherten. Der erste Mann, der bei mir ankam, packte meine Arme wie ein Schraubstock. Er trat von hinten an mich heran und zog mir die Ellbogen auf den Rücken. Dabei lockerte sich mein Griff, mit dem ich dich hielt. Ich spürte, wie du mir entglittst. Kurz bevor ich dich hätte fallen lassen, nahm dich einer der anderen Männer an sich. Er hielt dich nicht wie ein Kind, sondern so, wie man ein wildes Tier halten würde.
    »Lass sie das nicht tun, Joseph!«, schrie ich. Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun können. »Du bist doch angeblich sein Freund!«, kreischte ich Jared an. Inzwischen weinte ich. Ich wusste nicht, was ich ohne dich tun sollte.
    »Ich bin sein Freund«, flüsterte Jared mir zu. Er klang jetzt wütend, als sei er es nicht gewohnt, dass sich ihm jemand widersetzte. Als sie dich mir entrissen hatten, ließ mich der erste Mann wieder los. Meine Beine wollten mich nicht mehr tragen. Meine Muskeln verweigerten den Dienst. Ich sackte zusammen. Sie nahmen dich mit, und ich wusste nicht, wie ich sie daran hindern konnte.
    Draußen hatte sich der Himmel inzwischen verdunkelt. Da niemand irgendein Licht eingeschaltet hatte, wurde es im Haus ebenfalls dunkel, sodass man kaum noch etwas erkennen konnte. Ich sah hinüber zur Couch, auf der dein Vater gesessen hatte, und hätte ihn verfluchen können, weil er all das zugelassen hatte. Ich hätte ihn anschreien können, weil er sie nicht davon abgehalten hatte, dich mir wegzunehmen. Doch die Couch war leer. Dein Vater war verschwunden. Jared und seine Handlanger waren auf dem Weg zur Tür. Der Mann mit dem Gewehr ging voraus. Unmittelbar hinter ihm ging der Mann, der dich trug. Ich richtete abermals den Blick auf die leere Couch, dann ließ ich ihn auf der Suche nach deinem Vater durchs Zimmer schweifen. Meine Augen erfassten ein Stück dunkelvioletten Himmel, und ich bemerkte das offene Fenster. Dein Vater war bereits im Freien. Er wartete auf sie. Ich wollte irgendetwas tun. Ich wollte ihm irgendwie helfen, doch ich hatte keine Ahnung, was er vorhatte.
    Der Mann mit dem Gewehr öffnete die Haustür und trat ins Freie. Der Mann, der dich trug, folgte ihm nach draußen. Da die anderen drei Männer vor mir standen, war mir der Blick zur Tür versperrt. Ich hörte allerdings ein Geräusch, einen tiefen kehligen Laut der Überraschung. Dann fiel die Haustür ins Schloss. Jared und die anderen beiden Männer befanden sich noch im Haus. Sie hielten alle für einen Augenblick verwirrt inne. Dann waren unmittelbar vor der Tür Schüsse zu hören. Ich hielt den Atem an, lauschte und versuchte mir zusammenzureimen, was die Schüsse zu bedeuten hatten. Ich wagte es nicht, wieder zu atmen. Ich lauschte und hoffte. Zunächst herrschte Stille. Dann hörte ich dich schreien. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so froh sein würde, dich schreien zu hören. Noch besser war, dass dein Schreien leiser wurde – nicht weil es nachließ, sondern weil es sich entfernte. Dafür musste dein Vater verantwortlich sein. Die Handlanger wären zurück ins Haus gekommen. Dein Vater ließ mich sitzen, er ließ mich mit diesen drei schrecklichen Männern im Haus zurück, und ich liebte ihn trotzdem mehr als je zuvor, weil er versuchte, dich zu retten.
    Ich beobachtete die drei Männer, die sich noch im Haus befanden. Die beiden Handlanger schienen nach wie vor nicht verstanden zu haben, was vor sich ging. Sie griffen hektisch nach ihren Waffen. Nur Jared blieb ruhig. Er streckte den Arm aus und drückte auf die Klinke der Haustür. Als er die Tür öffnete, hörte ich, wie draußen auf der Straße ein Auto angelassen wurde. Dein Vater war nur Sekunden davon entfernt, mit dir zu flüchten. Ich rappelte mich
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