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Der Hinterhalt

Der Hinterhalt

Titel: Der Hinterhalt
Autoren: Trevor Shane
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Ich fiel abermals hin und schlug mit meinen bereits blutigen Knien auf dem Boden auf. Selbst wenn ich hätte weglaufen wollen, wäre ich dazu nicht in der Lage gewesen, da ich keine Kraft mehr hatte. »Du«, befahl Jared mit emotionsloser Autorität und deutete auf den anderen Mann, »holst das Kind.« Ich beugte mich vor, damit ich dich sehen konnte, als der Mann die Beifahrertür öffnete. Er griff in den Wagen hinein und packte dich. Dann hob er dich an einem Bein aus dem Auto. Er ließ deinen Körper in seiner Faust baumeln, als würde er ein Stück Fleisch halten. Ich hasste ihn dafür. Dann hielt ich den Atem an. Du warst blutüberströmt. Ich weiß nicht, ob es dein Blut oder das deines Vaters war. Es tut mir so leid, Christopher. Es tut mir so leid, dass ich sie dir das habe antun lassen.
    »Sie tun ihm weh!«, schrie ich, doch niemand hörte mir zu. Irgendetwas in mir verursachte mir körperliche Schmerzen, obwohl ich nicht verletzt war.
    Jared ging zur Fahrertür des Wagens, öffnete sie und blickte hinein. Ich konnte nicht erkennen, was er betrachtete. Das Einzige, was ich sehen konnte, waren die zersplitterte Windschutzscheibe und Blut. Jared warf einen langen Blick in das Auto, ohne ein Wort zu sagen. Sein Gesichtsausdruck war nicht zu entschlüsseln. Seine Augen waren kalt. Dann wandte er sich wieder ab.
    »Gehen wir«, sagte Jared und ging auf den Geländewagen zu, den er und seine Handlanger in der Nähe unseres Hauses geparkt hatten. Die beiden anderen Männer folgten ihm. Mit den Leichen auf der Veranda hielten sie sich nicht auf. Du schriest unentwegt, und dein Gesicht lief dunkelviolett an, da der Mann dich mit dem Kopf nach unten trug. Ich wollte zu dir laufen, Chris, und dich trösten, aber ich hatte keine Kraft mehr. Ich war nicht mehr in der Lage zu kämpfen. Ich konnte kaum atmen. Es fühlte sich an, als stünde jemand auf meiner Brust. Aus meinem Körper war sämtliche Energie gesaugt worden. Ich war nicht so stark wie dein Vater. Ich hatte nicht einmal mehr die Kraft, um einen letzten verzweifelten Versuch zu unternehmen, dich zu retten. Der Tod machte mir keine Angst, nur die Hoffnungslosigkeit.
    Sie gingen keinen Meter entfernt an mir vorbei. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, sie würden so tun, als sei ich gar nicht da. Das war das Schlimmste überhaupt – ihre Gleichgültigkeit mir gegenüber. Mir wäre es lieber gewesen, erschossen zu werden, als nutzlos dazuliegen. Ich wollte Schmerz spüren. Als sie an mir vorbeigingen, drehte sich Jared ein letztes Mal zu mir um. Ich betete, dass er seine Pistole heben und mich von meinem Leid erlösen würde. Stattdessen sah er mir in die Augen, machte eine Kopfbewegung in Richtung Auto und sagte mit schauriger Teilnahmslosigkeit: »Er ist noch am Leben, aber nicht mehr lange. Mach dir nicht die Mühe, Hilfe zu holen, denn dafür ist nicht mehr genug Zeit. Geh einfach zu ihm und verabschiede dich. Betrachte das als den letzten Gefallen, den ich meinem Freund tun kann.« Dann hielt Jared einen Augenblick im Gehen inne und fügte hinzu: »Und dann solltest du besser verschwinden.«
    Ich fing laut an zu weinen, obwohl ich glaubte, keine Tränen mehr übrig zu haben. Mir fehlte die Kraft, um aufzustehen. Da ich wusste, dass ich wieder zusammenbrechen würde, blieb ich einfach auf dem Boden liegen und beobachtete, wie die drei Männer mit dir in ihren Wagen stiegen. Der Mann, der dein Bein in der Faust hielt, kletterte auf den Rücksitz. Als er im Wagen saß, konnte ich dich nicht mehr sehen. Dann schloss er die Tür hinter sich, und dein Schreien verstummte. Der Motor des Geländewagens sprang an, und die Männer fuhren los und ließen mich auf dem Boden liegen. Im nächsten Moment warst du weg.
    Ich sah dem Geländewagen so lange wie möglich hinterher, da ich wusste, dass du dich darin befandst. Als ich ihn aus den Augen verlor, robbte ich auf dem Boden zu deinem Vater. Das Auto war nur sechs oder sieben Meter von mir entfernt, doch ich hatte kaum noch die Kraft, um zu kriechen. Ich wusste nicht, was ich zu deinem Vater sagen sollte. Ich schämte mich. Dein Vater lag im Sterben, weil er versucht hatte, dich zu retten, und hier war ich, wie gelähmt und mit aufgeschürften Knien.
    Als ich mich dem Auto näherte, wurde mir bewusst, dass aus dem Innenraum kein Geräusch zu hören war, und ich dachte, ich sei womöglich zu spät. Ich versuchte aufzustehen, indem ich mich an der Autotür festhielt, doch meine Knie gaben nach, und ich fiel wieder
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