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Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod

Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod

Titel: Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
Autoren: Caroline Graham
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* 1
     
    Simone Hollingsworth verschwand Donnerstag, den 6. Juni. Man könnte beinah sagen, sie habe sich einen wunderschönen Tag dafür ausgesucht. Ein warmer Wind wehte bei fast wolkenlosem und strahlendem Himmel. Die Hecken standen in voller Blüte, und auf den Feldern tollten Hasen und Kaninchen fröhlich herum, wie das junge Geschöpfe tun, die noch nicht ahnen, was ihnen auf dieser Welt so alles bevorsteht.
      Das erste Anzeichen dafür, daß in der St. Chad’s Lane nicht alles so war, wie es sein sollte, bemerkte Mrs. Molfrey, als sie unsicheren Schrittes auf dem Weg zum Briefkasten am Nachbarhaus vorbeikam. Dort versuchte nämlich Sarah Lawson gerade, das Tor der Hollingsworths von innen mit dem Fuß aufzustoßen, während sie mit den Armen einen großen Karton umklammert hielt.
      »Kommen Sie, ich helfe Ihnen«, sagte Mrs. Molfrey.
      »Wenn Sie mir nur freundlicherweise das Tor aufhalten würden.«
      »Der sieht aber schwer aus«, sagte Mrs. Molfrey mit Blick auf den Karton. Dabei zog sie langsam das Tor aus vergoldetem Schmiedeeisen auf. »Was um alles in der Welt ist da drin?«
      »Ein paar Einmachgläser für meinen Stand beim Kirchenfest.«
      Sie gingen nebeneinander her. Sarah zügelte aus Höflichkeit ihr normales Tempo, denn Mrs. Molfrey war sehr alt. Die Uhr am natursteinernen Kirchturm schlug drei.
      »Außerdem hatte Simone mich zum Tee eingeladen, aber offenbar mußte sie irgendwohin. Ich hab die Sachen auf der Terrassentreppe gefunden.«
      »Wie seltsam. Das sieht ihr überhaupt nicht ähnlich.«
      »Kann nicht behaupten, daß ich traurig darüber bin.« Sarah hievte den Karton, der abzurutschen drohte, stöhnend ein wenig höher. »Wenn man erst mal da drin ist, muß man mindestens eine Stunde einplanen.«
      »Das arme Ding ist vermutlich einsam.«
      »Was kann ich denn dafür?«
      Vor dem Bay Tree Cottage, dem Lorbeerbaum-Cottage, blieben sie stehen. Das war Sarahs Zuhause. Hier brauchte Mrs. Molfrey sich nicht zu bemühen, weil das Tor seit ewigen Zeiten schief in den Angeln hing. Diese Nachlässigkeit wurde von den ordnungsliebenden Dorfbewohnern mit einem resignierten Schulterzucken hingenommen. Sarah war Künstlerin, und da mußte man eben Zugeständnisse machen.
      »Ohne Auto kann Simone nicht weit sein. Und außerdem sollte sie sowieso bald zurückkommen. Um fünf ist Läutprobe.«
      »Ach, ist das ihr neustes Hobby?« Sarah lachte. »Allmählich müßte sie ja alles durchhaben.«
      »Hat sie den Kurs bei Ihnen eigentlich zu Ende gemacht?«
      »Nein.« Sarah stellte den Karton ab und zog einen Schlüssel aus ihrer Rocktasche. »Sie ist ein paar Wochen gekommen, dann hat sie das Interesse verloren.«
      Mrs. Molfrey warf ihren Brief ein und dachte auf dem Heimweg darüber nach, daß für Simone tatsächlich nicht mehr viel blieb, womit sie sich die Zeit vertreiben konnte.
      Die Hollingsworths waren vor etwas mehr als einem Jahr ins Nightingales-Haus eingezogen. Im Gegensatz zu den meisten Neuankömmlingen, die förmlich danach lechzten, sämtliche Gepflogenheiten des Dorfes bis ins letzte zu ergründen, noch bevor die Umzugswagen außer Sichtweite waren, hatte Alan Hollingsworth nie das geringste Interesse am Dorf und seinen Bewohnern bekundet. Man bekam ihn immer nur kurz zu sehen, wenn er in seinen metallicschwarzen Audi Cabrio stieg, seiner Frau zum Abschied zuwinkte und dann mit knirschenden Reifen vom Grundstück fuhr. Oder wenn er viele Stunden später - er hatte nämlich eine eigene Firma und arbeitete sehr hart - mit surrendem Motor wieder angerollt kam und sie mit einem Kuß begrüßte.
      Simone erschien immer in dem Moment im Hauseingang, wenn die Autotür zufiel, als ob sie irgendwo heimlich gelauert hätte, damit der Herr des Hauses nur ja nicht eine Sekunde auf den verdienten Willkommensgruß warten müsse. Wenn er sie dann küßte, stand sie mit einem Bein auf Zehenspitzen, das andere nach hinten geknickt, wie eine Schauspielerin in einem Film aus den vierziger Jahren.
      Im Gegensatz zu ihrem Mann hatte Mrs. Hollingsworth, die reichlich Zeit hatte, sich bemüht, an den dörflichen Aktivitäten teilzunehmen. Man mußte allerdings zugeben, daß die sehr begrenzt waren. Da gab es den Frauenkreis, die Stickereigruppe, den Bowling-Klub, die kleine AmateurWinzerei, und - für die wirklich Verzweifelten - den Gemeinderat. Dort führte die Frau des Pfarrers den Vorsitz.
      Mrs. Hollingsworth war zu mehreren Veranstaltungen
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