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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller
Autoren: Arto Paasilinna
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auf die Brücke und ging ins Innere der Mühle. Dort rieb er alle größeren Achsen und Lager mit Vaseline ein. An die unzugänglichen Stellen tropfte er mit dem langen Schnabel einer Ölkanne Maschinenöl. Als er die beweglichen Teile eingefettet hatte, ergriff er einen Spachtel aus Espenholz, mit dem er Riemenharz auf das Antriebsrad der Turbinenachse strich. Wenn er den Spachtel fest gegen die rotierende Trommel drückte, ließ sich das Harz gut verteilen. Anschließend behandelte er auch das Räderwerk an den Achsen der Obersteine mit Riemenharz. Dann warf er den Treibriemen um die Trommel. Er legte ihn auf einmal um, so daß er nicht herunterrutschen konnte. Der breite Riemen schwang im Takt der Umdrehungen der Turbinenachse und setzte den schweren Oberstein in Bewegung, der sich am unbeweglichen Bodenstein rieb. Hätte Huttunen ein paar Handvoll Korn in das Steinauge geworfen, hätte er bald den Geruch fertigen Mehls in der Nase gespürt.
    Die Mühle war jetzt im Gang. Die Steine dröhnten dumpf, der Treibriemen klatschte, die vielen Achsen klopften in ihren weiten Lagern, das ganze Gebäude bebte, und unten in der Turbinenkabine brauste das
    Wasserrad, getrieben von der Kraft des Mühlenflusses. Huttunen wechselte noch den Riemen vom Antriebs­
    rad des Mehlsteins auf den des Schrotsteins, erprobte ihn ebenfalls, und die Mühle lief auch damit gut.
    Der Müller lehnte sich an den Rand des leeren Korn­ kastens, schloß die Augen und lauschte den vertrauten Mühlengeräuschen. Sein Gesicht war ruhig, es zeigte weder den gewohnten Eifer noch Spuren von Depressi­ on. Er ließ die Mühle lange leer laufen, ehe er die Was­ serzufuhr zur Turbine stoppte. Allmählich hörte das Wasserrad auf, sich zu drehen, bis es schließlich ganz stehenblieb. In der Mühle war es wieder still, nur unten im Fluß hörte man leise das Wasser murmeln.
    Am folgenden Tag ging Huttunen in den Laden, um anzukündigen, daß er wieder Mahlgut entgegennehme, falls eventuell jemand sein überständiges Futtergetreide mahlen lassen wolle.
    Kaufmann Tervola sah den Müller schief an. »Den Sprengstoff mußte ich auf meine eigene Kappe
    nehmen, als der Polizist kam und fragte, ob du eine Genehmigung gehabt hast. Ein zweites Mal kriegst du keinen Sprengstoff schwarz von mir, komisch, wie du nun mal bist.«
    Huttunen spazierte im Laden herum, als hätte er den Tadel des Kaufmanns nicht gehört. Er nahm sich eine Flasche Leichtbier aus dem Kasten und fing an zu rau­ chen. Passenderweise war die Schachtel jetzt leer, und Huttunen schrieb auf die Rückseite, daß die Mühle von Suukoski wieder in Ordnung sei und man Korn zum Mahlen bringen könne. In der Ladentür fand er eine alte Reißzwecke, mit der er seinen Anschlag befestigte.
    »Wie konntest du bloß die letzte Ladung direkt vor den Leuten in den Fluß schmeißen?«
    Der Kaufmann füllte der Lehrersfrau Backobst in eine Tüte ab. Huttunen stellte die leere Bierflasche in den Kasten zurück und warf ein paar Münzen auf den La­ dentisch. Der Kaufmann sah prüfend auf die Waage und zeterte weiter:
    »Im Dorf sagen sie, man sollte dich abholen und in Behandlung geben.«
    Huttunen wandte sich abrupt um, sah dem Kauf­ mann direkt in die Augen und fragte:
    »Sag mal, Tervola, woran kann es bloß liegen, daß bei mir die Mohrrüben nicht aufgehen? Die Erde ist schon schwarz vom vielen Gießen, aber bisher ist nichts zu sehen und zu hören.«
    Der Kaufmann knurrte, hier gehe es nicht um Mohr­ rüben. »Unsere Tochter rennt schon den zweiten Som­ mer zu dir in die Mühle. Ist das eine Art, daß sich die Kinder bis spät in die Nacht rumtreiben, noch dazu bei einem Irren?«
    Huttunen legte seine Faust auf die Waage, drückte sie herunter und sagte:
    »Genau zehn Kilo. Stell mehr Gewichte drauf.« Huttunen fügte selbst ein paar Gewichte hinzu und
    drückte wieder den Zeiger bis ganz nach unten. »Jetzt wiegt die Hand schon fünfzehn Kilo.« Der Kaufmann versuchte, Huttunens Faust von der
    Waage zu schieben. Die Tüte kippte um, und getrockne­ te Apfelringe fielen auf den Fußboden. Die Lehrersfrau zog sich in den Hintergrund des Ladens zurück. Huttu­ nen packte die Waage und trug sie hinaus. Im Gehen riß er mit den Zähnen seinen Anschlag von der Tür. Drau­ ßen setzte er die Kaufmannswaage in den Eimer des Ziehbrunnens und ließ diesen vorsichtig hinab. Kauf­ mann Tervola trat vors Haus und rief, jetzt habe Huttu­ nen ausgespielt.
    »So was gehört in die Klapsmühle, und zwar sofort!
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