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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller
Autoren: Arto Paasilinna
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oder sie schämte sich nicht, ihre Schenkelpartie zu zeigen. Huttunen kämpfte sich aus dem Wasser, griff sich seine Sachen von der Brücke und zog sich schnell an. Die Frau kam näher, drehte sich zu ihm um und reichte ihm die Hand.
    »Ich bin die Klubberaterin Sanelma Käyrämö.« »Sehr angenehm«, brachte Huttunen heraus. »Ich bin hier die neue Klubberaterin. Ich suche jedes
    Haus auf, auch wenn keine Kinder in der Familie sind. Bis jetzt bin ich schon in sechzig Häusern gewesen, aber das sind noch längst nicht alle.«
    Klubberaterin? Was hatte eine Beraterin der Land­ wirtschaftsklubs in der Mühle zu tun?
    Sanelma Käyrämö erklärte:
    »Die Bäuerin Viittavaara vom Nachbarhof sagte mir, daß Sie hier allein wohnen, und so habe ich beschlos­ sen, auch zu Ihnen zu kommen. Denn auch ein Allein­ stehender kann Gemüse anbauen.«
    Eifrig begann die Klubberaterin, ihre Idee darzulegen. Sie erklärte, der Anbau von Gemüse sei auf dem Land das Beste, was man sich denken könne: Man habe dadurch eine vortreffliche Zusatznahrung, bekomme Vitamine und Spurenelemente. Schon eine Kräuter- und Gemüseparzelle von einem halben Ar bringe – natürlich wenn man sie gut pflege – so viel Ernte, daß eine kleine Familie mit allerlei Gesundem und Erfrischendem für den Winter versorgt sei. Man müsse sich nur ent­ schlossen ans Werk machen und die Sache richtig an­ packen. Es lohne sich wirklich!
    »Ja, Herr Huttunen, sollten wir da nicht auch für Sie einen netten kleinen Gemüsegarten anlegen? Gemüse ist heutzutage so sehr in Mode, daß es überhaupt keine Schande ist, wenn auch ein Mann es anbaut und ißt.«
    Huttunen wehrte ab. Er sagte, er sei ein alleinstehen­ der Mann, ihm genüge es, wenn er hin und wieder beim Nachbarn einen Sack Rüben kaufe, falls er mal beson­ deren Bedarf habe.
    »Kommt gar nicht in Frage! Wir nehmen die Sache jetzt sofort in Angriff. Ich gebe Ihnen ein paar Samen für den Anfang. Lassen Sie uns gleich eine passende Stelle für das Gartenland aussuchen. Keiner, der sich zum Gemüseanbau entschlossen hat, hat die Sache bisher bereut.«
    Huttunen versuchte einen letzten Appell: »Aber ich bin doch… ein bißchen verrückt. Hat man
    Ihnen das nicht im Kirchdorf erzählt, Fräulein?« Die Klubberaterin winkte mit ihrem Tuch geringschät­
    zig ab, so als hätte sie bereits ihr Leben lang mit Gei­ stesgestörten zu tun. Sie faßte den Müller energisch bei der Hand und führte ihn zum Mühlenhang. Dort zeich­ nete sie die Grenzen des künftigen Gemüsegartens in die Luft. Die Augen des Müllers folgten ihrer Hand. Das Gelände schien allzu reichlich bemessen; er schüttelte den Kopf. Die Klubberaterin verkleinerte die Fläche ein wenig, und damit schien die Sache unabänderlich. Die Beraterin brach vier Birkenzweige ab, mit denen sie die Ecken der Parzelle absteckte.
    »Für einen Mann Ihrer Größe ist das Stück durchaus nicht zuviel«, sagte sie und holte eine Aktentasche vom Gepäckträger ihres Fahrrades. Sie setzte sich ins Gras und entnahm der Tasche eine Anzahl Papiere, die sie vor sich ausbreitete. Der Wind wehte die Blätter auseinan­ der, und Huttunen sammelte sie wieder ein. Er fand es wunderbar und beglückend: wenn er der Beraterin die Papiere reichte, lächelte sie reizend und bedankte sich. Der Müller wurde so froh, daß er am liebsten vor lauter Glück ein Geheul angestimmt hätte; viel fehlte nicht, aber er beherrschte sich. Es war angebracht, sich vor einer solchen Frau normal aufzuführen, wenigstens am Anfang.
    Die Beraterin schrieb den Müller Gunnar Huttunen als Mitglied im Landwirtschaftsklub ein. Sie zeichnete einen Grundriß des Gartens und notierte darin die Namen der anzubauenden Pflanzen – rote Rüben, Mohr­ rüben, Steckrüben, Erbsen, Zwiebeln und Gewürzpflan­ zen. Auch Frühweißkohl wollte sie ihm empfehlen, strich ihn aber wieder aus, da es im Kirchdorf keine Setzlinge gab.
    »Vielleicht sollten wir uns für die erste Ernte mit den gewöhnlichen Sorten begnügen. Mit zunehmender Er­ fahrung können wir dann die Auswahl erweitern«, ent­ schied sie. Sie übergab Huttunen einige Samentüten, die sie erst bei ihrem nächsten Besuch abkassieren wollte.
    »Wir müssen ja erst sehen, ob sie aufgehen… Aber ich bin sicher, daß Sie, Herr Huttunen, bald das Wunder neuen Werdens und Wachsens erleben werden.«
    Huttunen äußerte Zweifel, ob er beim Gartenbau Er­ folg haben werde. Er erklärte, er habe sich nie zuvor mit diesen Dingen befaßt.
    Die
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