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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller
Autoren: Arto Paasilinna
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Mühle krachten.
    Der Kaufmann schloß sofort seinen Laden und mach-te sich zusammen mit den Frauen eiligst auf den Weg nach Suukoski, um Huttunens weiteres Schicksal zu verfolgen. Vorher rief er jedoch noch schnell im Kirch­ dorf an und empfahl, dem Einsturz von Huttunens Mühle beizuwohnen.
    Bald ertönte aus Suukoski die erste Detonation. Als die Leute vom Laden und vom Kirchdorf eintrafen und sich auf der Böschung versammelten, krachte es ein zweites Mal. Eissplitter und Holzstücke wurden in die Luft geschleudert. Die Leute verboten den Kindern, näher heranzugehen. Einige am Schauplatz eingetroffe­ ne Bauern wollten Huttunen helfen und riefen, er solle ihnen sagen, was zu tun sei.
    Doch Huttunen war so aufgeregt und beschäftigt, daß er keine Zeit hatte, die Helfer einzuweisen. Bewaffnet mit einer Säge und einer Axt, rannte er auf der Einfassung des Wasserkastens zum Wehr, kletterte über die Balken und Eisblöcke ans Ufer und watete bis zu den Ober­ schenkeln im Wasser, bis er trockenes Land erreichte. Hier musterte er die großen Fichten, als wollte er Bäume fällen.
    »Kunnari steht so unter Dampf, daß er nicht mal zum Heulen kommt«, sagte der dickbäuchige Bauer Viittavaa­ ra.
    »Der hat keine Zeit, Elch oder Bär zu spielen, dabei hätte er jetzt jede Menge Publikum«, sagte ein anderer, und alle lachten, doch Wachtmeister Portimo, ein alter, besonnener Mann, befahl den Leuten, still zu sein.
    »Man spottet nicht, wenn einer in Not ist.« Huttunen wählte eine hohe Fichte aus, die unmittel­
    bar am Flußufer stand. Mit ein paar kräftigen Hieben schlug er unten in den Stamm eine tiefe Kerbe, die zum Wasser zeigte. Dann machte er sich daran, den Baum durchzusägen. Die Zuschauer am anderen Ufer rätsel­ ten, weshalb der Müller in dieser Notsituation plötzlich Bäume fällte, statt an die Rettung seiner Mühle zu denken. Ein aus dem Kirchdorf herbeigeeilter Knecht namens Launola meinte:
    »Der hat seine Mühle vergessen und Lust auf Waldar­ beit gekriegt!«
    Dies hörte Huttunen am anderen Ufer. Ihn packte über seinem Fichtenstamm die Wut, seine Stirnadern schwollen, und er wollte schon aufstehen und dem Knecht eine passende Antwort hinüberbrüllen, sägte aber heftig weiter.
    Die Riesenfichte begann zu schwanken. Huttunen zog das Sägeblatt aus dem Einschnitt, richtete sich auf und drückte mit der Schneide der Axt gegen den Stamm. Der gewaltige Baum neigte sich und stürzte rauschend in den schäumenden Fluß, wobei er das vor dem Wehr aufgestaute Eis unter sich zermalmte. Ein Raunen lief durch die Zuschauermenge. Jetzt erst erkannten die Leute den Sinn der Aktion: Unter dem Druck des Wassers glitt der Fichtenstamm ans Wehr und bildete so ein Hindernis für das Eis, das aus dem Oberlauf des Flusses herantrieb. Das Flutwasser stürzte ungehindert unter dem Stamm hindurch und am zerbrochenen Wasserrad der Schindelmaschine vorbei, aber Eis kam nicht mehr zur Mühle, und die beängstigende Situation war mit einem Schlag behoben.
    Gunnar Huttunen wischte sich den Schweiß vom Gesicht und kam über die Fuhrbrücke und durch die Mühle zur anderen Seite, wo das Publikum wartete. Den Knecht Launola knurrte er an:
    »Jetzt weißt du Bescheid über die Waldarbeit.« Die Leute wanden sich verlegen. Die Männer umring­
    ten Kunnari und bedauerten, daß sie leider gar nicht so schnell hatten helfen können… Und wie schlau doch sein Einfall mit dem Fichtenstamm gewesen sei.
    Obwohl das spannende Schauspiel zu Ende war, mochten die Leute noch nicht gehen, im Gegenteil, jetzt trafen erst jene ein, die langsamer zu Fuß waren. Zuletzt kam die dralle Bäuerin Siponen, die atemlos fragte, was bisher alles passiert sei.
    Huttunen bereitete eine weitere Ladung Sprengstoff vor und verkündete dann mit lauter Stimme:
    »Das Schauspiel war zu kurz? Dann bieten wir eben noch mehr, damit eine so große Menschenmenge nicht umsonst gehen muß!«
    Der Müller begann, einen Kranich zu spielen. Er ba­ lancierte auf einem Bein auf dem Rand der Zulaufrinne, trompetete wie ein Kranich, reckte den Hals und tat, als suche er in der Rinne nach Fröschen.
    Peinlich berührt zog sich das Publikum von der Bö­ schung zurück. Man beschwichtigte Huttunen, jemand schimpfte, der Kerl sei verrückt. Bevor sich die Men­ schenmenge auflöste, zündete Huttunen die Zünd­ schnur an der Sprengladung an, sie brannte mit unan­ genehmem Zischen ab. Die Leute nahmen Reißaus. Obwohl die Reaktion schnell erfolgte, hatten manche erst
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