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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller
Autoren: Arto Paasilinna
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Bahnhof, sie stützte die weinende Klubberate­ rin Sanelma Käyrämö. Der Kommissar stieg ins Auto und fuhr davon. Der Stationsvorsteher rollte sein grünes Fähnchen auf und murmelte vor sich hin:
    »Hier waren mehr Leute als letztens beim Gouver­ neur.«
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    Man erfuhr, daß Huttunen und Portimo nie in der Ou­ luer Nervenklinik erschienen waren. Kommissar Jaatila ließ sie im ganzen Land steckbrieflich suchen, doch ihr Verschwinden wurde nie geklärt. Auch Interpol lagen keine Informationen über das Schicksal der beiden Männer vor.
    In diesem Herbst zog die Klubberaterin Sanelma Käy­ rämö als Untermieterin bei Portimos Frau ein. Die bei­ den begannen, einen gemeinsamen Haushalt zu führen, und kamen dank des preiswerten Gemüses einigerma­ ßen zurecht. Für die schwersten Männerarbeiten kam Piittisjärvi ins Haus, der jetzt über reichlich Zeit verfüg­ te, da man ihn seines Amtes als Briefträger enthoben hatte.
    Im Oktober lief Portimos grauer Rüde weg und ver­ schwand in den Wäldern. Als der Winter kam, fand man seine Spuren im Reutumoor. Er war dort draußen nicht allein, sondern ein großer Wolf hatte sich ihm ange­
    schlossen, den Spuren nach ein einsamer Rüde. In frostklaren Nächten ertönte vom Reutuberg das klagen­ de Geheul des Wolfes, und manchmal hörte man dazwi­ schen auch Portimos Bärenhund traurig bellen.
    Im Dorf hieß es, der Wolf und der Hund kämen nachts bis ans Kirchdorf. Manche sagten, die Klubbera­ terin und die Frau des Polizisten fütterten sie heimlich.
    Vor Weihnachten stellte man fest, daß der Wolf und der Hund in Siponens Hühnerstall gewesen waren. Alle zwanzig Hühner waren tot.
    Als Viittavaara in der Adventswoche ein fettes Ferkel schlachtete und es abgebrüht an einen Balken in der Scheune hängte, verschwand es in der Nacht. In der Scheune fand man die frischen Spuren eines Wolfes und eines Hundes. Das Ferkel tauchte nie wieder auf.
    Im Winter überraschten die beiden zottigen Gesellen Kommissar Jaatila und Doktor Ervinen auf einem Teich im Reutumoor. Die Männer waren beim Eisangeln, als plötzlich der Wolf und der Hund aus dem Wald stürzten. Dem Kommissar und dem Arzt wäre es schlecht ergan­ gen, wäre es ihnen nicht gelungen, auf die Föhren am Teichufer zu klettern. Es herrschte strenger Frost. Gräß­ lich knurrend hielten der Wolf und der Hund die Män­ ner anderthalb Tage gefangen, sie fraßen ihren Proviant aus den Rucksäcken und rollten die Thermosflaschen ins Eisloch. Dem Kommissar erfror die Schlaghand bis zum Ellenbogen und dem Arzt die Nase. Womöglich wären sie auf den bereiften Föhren umgekommen, hätte nicht ein freundlicher Waldarbeiter sie aus ihrer mißli­ chen Lage befreit.
    Die Bäuerin Siponen hatte sich angewöhnt, jeden Sonntag die Kirche zu besuchen. Da sie immer noch behauptete, gelähmt zu sein, mußte Knecht Launola jedesmal das Pferd anspannen. Die Bäuerin wurde aus dem Schlitten in die Kirche getragen und vorn auf die Bank gelegt. Sie beanspruchte den Platz von fünf Got­ tesdienstbesuchern, doch das gestattete man der armen bewegungsunfähigen Frau.
    Bei einer dieser Kirchenfahrten griffen ein magerer Wolf und ein struppiger Rüde auf dem Eis des Kemiflus­ ses das Gefährt an. Das Pferd ging durch und zerbrach die Deichsel, der Schlitten kippte um. Knecht Launola flüchtete auf dem Rücken des Wallachs. Die dicke Bäue­ rin lag im Schnee und war ihren zottigen Angreifern ausgeliefert. Sie hätte dieses Unglück nicht lebend überstanden, wäre sie nicht auf ihren dicken Stampfern losgerannt und hätte sich in der Fährhütte in Sicherheit gebracht. Die Fluchtspuren der armen Gelähmten auf dem Eis des Kemiflusses riefen allgemeine Bewunderung hervor, besonders in sportinteressierten Kreisen.
    Die Männer des Sprengels versuchten mit allen Mit­ teln, den Wolf und den Hund zu töten, kamen jedoch nie an sie heran. Die beiden waren zu schlau und zu frech. Sie waren aufeinander eingespielt, bildeten ein wildes und furchterregendes Paar.
    Wenn in Nächten mit strengem Frost vom Reutuberg das durchdringende Geheul des Wolfes herüberklang, sagten die Leute:
    »Bei dem Huttunen hat sich das irgendwie natürlicher angehört.«
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