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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller
Autoren: Arto Paasilinna
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Huttunens Hügel zu. Einer feuerte mit der Maschinenpistole eine kurze Salve ab.
    Huttunen flüchtete nach Norden. Er rannte, so schnell er konnte, und dachte, die Männer müßten sich verdammt anstrengen, wenn sie ihn lebendig fangen wollten.
    Die ganze Nacht rannten die Grenzjäger durch die Wildnis, fanden aber von Huttunen keine Spur. Gegen Morgen wurden alle Männer im Lager zusammengezo­ gen, wohin Viittavaara mit einem Sommerschlitten die Feldküche gefahren hatte. Sie errichteten ein Mann­ schaftszelt. Die müden Soldaten und Bauern ließen sich nieder, um zu essen und zu schlafen.
    Die toten Spürhunde band man mit den Beinen an eine Stange, und vier Mann wurden abkommandiert, sie ins Dorf zu tragen. Als der müde Konvoi in der Kom­ mandozentrale des Kommissars eintraf, schnauzte Jaatila mit Blick auf die Hunde:
    »Sollen die Kadaver etwa auf dem Friedhof beerdigt werden?«
    Der Grenzjägerleutnant erwiderte ärgerlich: »Laß den Spott. Wir haben immerhin das Lager des
    Irren gefunden.«
    Der Leutnant ordnete an, die Hunde zu begraben. Die Jäger hoben an einer Weggabelung neben dem Trans­ formator eine Grube aus. In der Nähe stand das Haus des Bauern Rasti, wo gerade eine Abendandacht statt­ fand. Leiser Gesang tönte herüber. Der Leutnant fluch­ te.
    »Macht schnell. Die singen auch noch Psalmen! Was für eine gottverdammte Gegend.«
    Drinnen im Haus sprach Laienprediger Leskelä und betete für Huttunen:
    »Lieber Gott, nimm Müller Huttunen möglichst bald zu dir in den Himmel, oder laß ihn den Soldaten in die Hände fallen. Im Namen des Blutes und Fleisches Jesu Christi, Amen!«
    37
    Drei Tage und drei Nächte durchkämmten die Soldaten und die Männer des Sprengels die Wildnis, jedoch ohne Erfolg. Dann kehrten die Bauern stillschweigend auf ihre Höfe zurück, hängten die Flinte an die Wand und machten sich wieder an ihre Arbeit. Die Grenzjäger bauten ihr Zelt ab, ließen die Feldküche zum Bahnhof transportieren und luden ihre Ausrüstung in einen Viehwagen. Ohne viel Aufheben wurde der Wagen an den Güterzug nach Norden angekoppelt. Die Dampflo­ komotive pfiff, und die Soldaten fuhren davon.
    An die Suchaktion erinnerte nur mehr ein zerfallender Erdhügel im Stationsdorf neben dem Transformator. Unter der Erde ruhten zwei tapfere Militärhunde. Die kleinen Kinder machten es sich in diesem Herbst zur Gewohnheit, jeden Sonntag am Grab der Hunde Zi­ onspsalmen zu singen, dieselben, die Prediger Leskelä in ihren Elternhäusern bei den Andachten singen ließ.
    Einmal am Tag besuchte Kommissar Jaatila die Ar­ restzelle, um dem Briefträger Piittisjärvi eine Tracht Prügel zu verabreichen, doch die Mühe war umsonst. Der zähe Postbote ertrug die Schläge tapfer und berief sich auf das unverletzliche Briefgeheimnis.
    Da man Huttunen nicht mit Gewalt hatte festnehmen können, verfiel der Kommissar auf eine List. Er nahm Kontakt zur Klubberaterin Sanelma Käyrämö auf und teilte ihr mit, die Behörden hätten nunmehr beschlos­ sen, Huttunen zu begnadigen. Dieser müsse jedoch zunächst aus dem Wald herauskommen.
    »Wir sollten gleich zu Briefträger Piittisjärvi in die Zel­ le gehen und ihn beauftragen, Huttunen mein Begnadi­ gungsschreiben zuzustellen, in dem die Sache offiziell bestätigt wird. Ich schwöre Ihnen, daß die Skandale Ihres Müllers kein Nachspiel haben. Eine kleine Geld­ buße wird über ihn verhängt, sonst nichts.«
    Der Kommissar setzte ein Schreiben an Gunnar Hut­ tunen auf. Die Klubberaterin schrieb ihm zusätzlich einen Brief, in dem sie ihn bat, ins Kirchdorf zu kommen und sich zu stellen. Alles, was gewesen war, würde ihm verziehen.
    Anschließend gingen sie gemeinsam zu Piittisjärvi, um ihn zur Beförderung der Briefe zu bewegen.
    Piittisjärvi befürchtete zunächst eine Falle. Doch als der Kommissar unter das Begnadigungsschreiben einen offiziellen Stempel drückte und den Umschlag noch mit einem Siegel versah, glaubte er schließlich an den Sieg des Rechts und versprach, die Post zu befördern. Er verlangte lediglich, es allein zu tun, damit niemand erführe, wohin er sie brachte.
    Der Kommissar ging bereitwillig auf die Bedingung ein. Bald darauf wurde ein großer Teller mit dampfen­ dem Eintopf in die Zelle gebracht. Piittisjärvi erhielt eine Schachtel Zigaretten, und nach der Mahlzeit kam die Masseuse des Kirchdorfes, um seinen Rücken mit Lini­ ment einzureiben, denn der bleigefüllte Schlagstock des Kommissars hatte schwarze, brennende Striemen
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