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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller
Autoren: Arto Paasilinna
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dann die Putzfrau, die immer rumgeschrien hat! Sie wurde auf die Frauenstation versetzt, und da hat sie die verrückten Weiber beschimpft, bis die sie eines Tages verdroschen haben. Dabei haben sie ihr ein Bein gebro­ chen, und jetzt liegt sie in der Diakonie. Die Weiber haben es ihr so gründlich besorgt, daß sie nicht vor Weihnachten zurückkommt. Bei uns hat nachher ein Mann saubergemacht. Ein fauler Lümmel. Redet nicht, tut aber auch nichts.«
    »Und der Arzt?«
    Happola erzählte, der Stationsarzt reibe auf seiner Brille herum wie eh und je.
    »Der ist vielleicht explodiert, als ich ihm sagte, ich bin gesund, also tschüs! Er hat angefangen zu kreischen und zu schreien und sich nicht beruhigt, bis die Pfleger gekommen sind und gedroht haben, sie stecken ihn in die Zwangsjacke. Es war hart für ihn. Ist natürlich verständlich: da behandelt er einen Kerl zehn Jahre lang als angeblich Verrückten, und plötzlich kommt der anmarschiert und sagt, er sei gesund.«
    »Der Arzt war selber nervenkrank.«
    »Das kann man wohl sagen. Der irrste Arzt von Finn-land.«
    Huttunen zeigte seinem Kameraden das Lager, die von Ervinen beschaffte Ausrüstung, die Waffe und Piittisjär­ vis Schnapsbrennerei. Er erzählte von seinem eigenen Schicksal und allem, was vorgefallen war. Er sagte, in Anbetracht der Umstände lasse sich sein Leben zur Zeit ganz gut an. Auf lange Sicht komme ein solches Einsied­ lerleben jedoch nicht in Frage. Im Winter werde die Existenz schwierig. Wenn Schnee liege, könnten die Behörden sein Lager entdecken. Er habe daran gedacht, sich tiefer in die Einöde zurückzuziehen und eine Hütte zu bauen. Erst müsse er sich allerdings eine finanzielle Grundlage schaffen.
    »So ein Einsiedlerleben ist ziemlich hart.« Dann erzählte er von seinen kaufmännischen Studi­
    en. Er zeigte die Lehrbriefe der Fernakademie und redete in den Termini der Geschäftswelt. Happola hörte inter­ essiert zu.
    »Wenn du nicht offiziell verrückt wärst, könnten wir ein gutes Paar abgeben. Ich bin ja mein Leben lang kaufmännisch tätig gewesen. Der Großhandel würde mich interessieren. Mach du mal diese Handelsschule fertig, dann sehen wir weiter. Wir könnten in Oulu oder Kemi ein Großhandelskontor aufmachen. Ich würde in Geschäften unterwegs sein, und du würdest den Papier­ kram und die laufenden Angelegenheiten der Firma erledigen.«
    Huttunen bewirtete seinen Gast mit gesalzener Bach­ forelle. Nach dem Essen begleitete er ihn zur Landstra­ ße. Als sie sich trennten, verabschiedete sich Happola mit Handschlag:
    »Ich schicke gleich morgen etwas Schriftliches über den Mühlenkauf an dich ab. Das Geld kriegst du, sowie die Papiere fertig sind, da kannst du ganz unbesorgt sein.«
    Huttunen kehrte zufrieden in sein Lager zurück. Er spürte nach langer Zeit wieder ein wenig Sicherheit, erstmals seit Monaten zeigte sich die Zukunft in helle-rem Licht. Jetzt hatte er Geld in Aussicht. Das Studium machte Fortschritte… Vielleicht konnte er sehr bald mit Sanelma Käyrämö ins Ausland reisen und dort ein neues Leben beginnen!
    35
    In der nächsten Woche schleppte Piittisjärvi wieder Gemüse und Post ins Lager des Einsiedlers. Klubberate­ rin Sanelma Käyrämö warnte Huttunen in ihrem Brief vor weiterem Heulen, denn der Gouverneur persönlich habe gedroht, die Armee auszuschicken, um ihn zu verhaften, falls das Geheul und die Übeltaten nicht aufhörten. Am Schluß ihres Briefes erklärte sie, daß sie Huttunen qualvoll brennend liebe, und unterstrich gleichzeitig die Wichtigkeit des Handelsstudiums. Das mitgeschickte Gemüse empfahl sie zu reiben oder auch als Salat zu essen.
    Noch ein zweiter wichtiger Brief war gekommen: von Happola. Huttunen öffnete ihn triumphierend – jetzt war der Verkauf der Mühle perfekt, er brauchte nur seinen Namen unter die Papiere zu setzen und sich von Happo­ la das Geld zu holen.
    Entsetzlich war seine Enttäuschung, als er die Bot­ schaft las. Sie besagte, daß Happola die Mühle gar nicht kaufen könne, denn sie sei vom Sozialausschuß be­ schlagnahmt worden. Huttunen sei für unzurechnungs­ fähig erklärt worden und habe somit kein Recht mehr, sein Eigentum zu veräußern oder zu verpfänden.
    »Unter diesen Umständen wird also nichts aus dem Geschäft. Versuch, das Veräußerungsverbot rückgängig zu machen, dann kaufe ich deine Mühle bestimmt. Behalt den Kopf oben. Happola.«
    Huttunen griff nach dem Stutzen, steckte den Lauf in den Mund und wollte sich auf der
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