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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller
Autoren: Arto Paasilinna
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sein Kreuz zu tragen, Huttunen…

du ebenso wie ich.«
    Huttunen nahm all seinen Mut zusammen und wider­ sprach Jesus:
    »Aber in meinem Fall geht es wohl etwas zu weit! Die-se verdammte Jagd dauert nun bald ein halbes Jahr! Seit Wochen muß ich da draußen in der Einöde frieren, und vorher mußte ich in Oulu in der Klinik hocken… Täte es nicht auch weniger?«
    Jesus nickte teilnahmsvoll. Aber dann wies er auf seine eigenen Lebenserfahrungen hin:
    »Deine Schwierigkeiten sind klein, Huttunen, im Ver­ gleich zu dem, was die Menschen mir seinerzeit anta-ten.«
    Christi Miene verfinsterte sich, als er zurückdachte. »Mein Leben lang wurde ich verfolgt… und schließlich
    lebendig ans Kreuz genagelt. Da hatte ich etwas auszu­ stehen, Huttunen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie furchtbar weh es tut, wenn einem fünfzöllige Kupfernä­ gel durch Hände und Füße geschlagen werden. Man drückte mir einen Dornenkranz auf die Stirn und richte­ te das Kreuz auf. Am schlimmsten war das Hängen. Kein Mensch, der nicht selbst am Kreuz gehangen hat, kann sich die Qualen vorstellen.«
    Jesus sah Huttunen ernst an.
    »Ich bin ein Mann, der in seinem Leben viel gelitten hat.« Huttunen wandte den Blick ab und spielte verlegen mit der Streichholzschachtel. Er wußte nicht recht, was er Jesus antworten sollte. Dieser fuhr fort:
    »Aber wenn du, Huttunen, ernsthaft beschlossen hast, die Kirche niederzubrennen, dann tu es meinetwe­ gen. Ich habe dieses Gebäude von Anfang an nicht gemocht. Mir gefällt die alte Kirche drüben auf dem Hügel besser. Diese hier zu bauen war der reine Grö­ ßenwahn. Aber zünde das Feuer trotzdem nicht unmit­ telbar vor dem Altar an. Geh lieber in die Sakristei oder in den Vorraum, das Feuer wird sich auch von dort ausbreiten, so trocken, wie das Gebäude ist. Und du könntest das Gewehr wegschaffen… Es schickt sich nicht, mit geschultertem Gewehr und einem Haufen Brennholz hereinzukommen. Trotz allem handelt es sich hier immerhin um eine Kirche.«
    Huttunen verbeugte sich etwas verlegen vor Jesu Bild, sammelte sein Brennholz wieder ein und trug es in den Vorraum. Dort entzündete er rasch das Feuer. Die Spä­ ne und Rindenstücke loderten munter. Dicker Qualm sammelte sich im Vorraum und im Kirchenschiff.
    Bald war der Vorraum so voller Rauch, daß Huttunen gezwungen war, das Portal zu öffnen. Er selbst tastete sich durch den Rauch zurück in die Kirche. Dort setzte er sich in eine Bank und rieb sich die Augen. Er hätte nie geglaubt, daß ein so kleines Feuer so dicken Qualm verursachen würde, wahrscheinlich kam es daher, daß es in der Kirche keine Zugluft gab.
    Eine Rauchwolke quoll aus dem Hauptportal der Kir­ che und zog am Spritzenhaus vorbei ins Dorf. Mit klap­ pernden Eimern eilten Löschkräfte herbei. Zur gleichen Zeit versuchte Huttunen das Feuer im Vorraum der Kirche zu schüren. Er blies in das verkohlte Holz, daß es glühte und erneut Flammen hochschlugen. Der Rauch zwang ihn immer wieder, sich ins Innere der Kirche zurückzuziehen.
    Draußen waren die Rufe der Löschmannschaft zu hören. Der Qualm in der Kirche wurde dicker, als die Leute Wasser in den Vorraum schütteten. Das Feuer zischte, und die Flammen erstarben.
    Huttunen konnte die Löschkräfte nicht sehen, aber nach den Stimmen zu urteilen, waren sie sehr zahlreich. Jetzt mußte er fliehen, denn so viele Menschen konnte er nicht mal mit der Waffe in Schach halten. Er holte tief Luft, rannte in den Vorraum, durch das zischende Feuer und geradewegs an die frische Luft, das Gewehr über der Schulter, die Hände vor den tränenden Augen. Die Leute machten ihm erschrocken Platz. Bald konnte er wieder so viel sehen, daß er den Weg zum Friedhof fand. Er sprang über die Grabsteine, überwand den Zaun und hastete in den Wald.
    Kommissar Jaatila traf ein. Er konnte feststellen, daß es gelungen war, das Feuer zu löschen. Als man ihm berichtete, der Müller Gunnar Huttunen habe versucht, die Kirche niederzubrennen, verkündete er ent­ schlossen:
    »Gleich morgen früh wird eine Großfahndung eingelei­ tet. Ich bestelle telefonisch aus Rovaniemi Soldaten und Spürhunde.«
    36
    Am Morgen hielt auf dem Bahnhof ein Güterzug, was ungewöhnlich war. An seinem hinteren Ende befand sich ein Viehwagen, dessen Doppeltür geöffnet wurde. Ein halber Zug behelmter Grenzjäger sprang heraus. Sie führten ein Mannschaftszelt, eine Feldküche und zwei Spürhunde mit sich, außerdem war jeder Mann mit einer Maschinenpistole
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