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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller
Autoren: Arto Paasilinna
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und barsch knurrte:
    »Nein, noch nicht fertig.«
    Der Abholer mußte unverrichteter Dinge die Mühle verlassen, obwohl neben der Fuhrbrücke eine Menge neuer, frisch gehobelter Schindeln säuberlich aufgesta­ pelt war.
    Aber in seiner fröhlichen Stimmung war Huttunen unübertroffen: Er glich dann einem glanzvollen Zirkus­ artisten, sein Verstand arbeitete messerscharf wie die funkelnde Schneide der Schindelmaschine; seine Bewe­ gungen waren schnell und geschmeidig, seine Vorfüh­ rungen so lustig und verblüffend, daß er die Zuschauer völlig in seinen Bann zog. Doch konnte es passieren, daß er mitten in der ausgelassensten Stimmung plötz­ lich innehielt, einen gellenden Schrei ausstieß und dann, der morschen Zulaufrinne folgend, hinter die Mühle rannte und weiter über den Fluß und in den Wald, fort von den Menschen. Es rauschte und knackte im Dickicht, während er sich seinen Weg bahnte. Wenn er nach einer oder anderthalb Stunden müde und keu­ chend zur Mühle zurückkehrte, machten sich die jungen Leute leise davon. Zu Hause erzählten sie erschrocken, Kunnaris schlimme Zeiten hätten wieder begonnen.
    Man begann, Gunnar Huttunen für verrückt zu hal-ten.
    Huttunens Nachbarn wußten im Kirchdorf zu erzäh­ len, Kunnari pflege nachts wie ein Raubtier zu heulen. Dies geschah hauptsächlich im Winter, in klaren Näch­ ten mit strengem Frost. Huttunen heulte manchmal von abends bis Mitternacht, und in der nächtlichen Stille zwang sein trostloses Gejaule die Dorfhunde der Umge­ bung dazu, ihm zu antworten. In solchen Nächten wach­ ten die Leute in den Dörfern am großen Fluß und sag-ten: Er ist verrückt, der arme Kunnari, bringt auch noch die Hunde dazu, nachts zu heulen.
    »Dem muß mal einer sagen, er soll aufhören damit. Es gehört sich nicht, als erwachsener Mensch wie ein Wolf zu heulen.«
    Doch niemand traute sich, Huttunen darauf anzu­ sprechen. Die Nachbarn hofften, er werde zur Vernunft kommen und von selbst aufhören.
    »Mit der Zeit gewöhnt man sich an das Geheule«, sag-ten die Bauern, die Schindeln benötigten. »Er ist zwar verrückt, aber die Schindeln, die er macht, sind gut und preiswert!«
    »Er hat versprochen, die Mühle instand zu setzen, besser, man verärgert ihn nicht, sonst geht er wieder in den Süden«, sagten die anderen, die vorhatten, an den Ufern des Kemiflusses Getreide anzubauen. Während der Eisschmelze im Frühjahr stieg das Wasser im Fluß einmal so hoch, daß Gunnar Huttunen um ein Haar seine Mühle eingebüßt hätte. Die schwere Flut drückte mit solcher Kraft gegen das Wehr oberhalb des Wasserkastens, daß ein zwei Meter breiter Riß entstand. Dicke Eisschollen drangen durch den Riß in den Kasten. Sie zerstörten die morsche Zuflußrinne auf einer Länge von fünfzehn Metern, zertrümmerten das Wasserrad der Schindelmaschine und hätten die ganze Mühle umgeris­ sen, wäre Huttunen nicht eingeschritten: Er rannte zur Schütze an der Schindelmaschine, riß sie auf, und so schoß der größte Teil der Flut an der Mühle vorbei in den Unterlauf des Flusses. Währenddessen strömte durch das gebrochene Wehr ununterbrochen Wasser nach, mit dem dicke Eisschollen herantrieben. Sie stau­ ten sich bis an die Wand der Mühle, so daß das alte Balkengebäude unter ihrem Druck erdröhnte. Huttunen fürchtete, die schweren Mahlsteine könnten durch den Zwischenboden auf die Turbine fallen, so daß sie auch noch zertrümmert würde.
    In dieser Situation blieb ihm nichts anderes übrig, als auf sein Fahrrad zu springen und die paar Kilometer zum Dorfladen zu radeln.
    Atemlos und schweißgebadet rief er dem Kaufmann Tervola, der gerade Graupen abfüllte, zu:
    »Verkauf mir sofort ein paar Ladungen Sprengstoff!« Im Laden waren ein paar Frauen beim Einkauf, und
    sie erschraken furchtbar über den schwitzenden Müller, der Sprengstoff kaufen wollte. Kaufmann Tervola hinter seiner Waage verlangte von Huttunen eine Genehmigung für Erwerb und Besitz von Sprengmaterial, doch als Huttunen brüllte, die Mühle von Suukoski werde von Eisschollen zerdrückt, falls man diese nicht sofort sprenge, verkaufte er ihm notgedrungen das Gewünsch­ te samt einem Knäuel Lunte und einer Handvoll Zünd­ kapseln. Die Sprengladung wurde in einen Pappkarton verpackt, den Huttunen auf dem Gepäckträger seines Fahrrades verstaute. Anschließend radelte er im Eiltem­ po nach Suukoski zurück, wo das Wasser weiterhin stieg und die Eisschollen gegen die schwankenden Bal-ken der alten
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