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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller
Autoren: Arto Paasilinna
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Dieser Laden ist ab jetzt für dich geschlossen, Huttu­ nen!«
    Der Müller ging ins Kirchdorf. Unterwegs grübelte er, wie das hatte passieren können. Er war traurig, doch seine Stimmung besserte sich, als er an die Waage dachte, die jetzt unten im Brunnen ruhte. Außerdem war der Ziehbrunnen ja eine Art Waage, nur mit Wasser als Gewicht. Am Friedhof machte Huttunen halt. In der Pforte steckten ein paar Nägel von früheren Anschlägen, dort befestigte er seinen eigenen, den er zwischen den Zähnen getragen hatte. Der Text lautete:
    Die Mühle von Suukoski dreht sich wieder. Huttunen.
    Anschließend ging er ins Café des Kirchdorfes. Er trank eine Flasche Leichtbier, und da gerade eine Menge Leute aus allen Teilen des Sprengels herumsaßen, verkündete er:
    »Sagt weiter, wer noch Korn hat, kann es nach Suu­ koski bringen.«
    Er leerte seine Flasche und ging. An der Tür äußerte er noch:
    »Aber kein gebeiztes. Das mahle ich nicht mal zu Fut­ ter. Es vergiftet mir die Mühle.«
    An Siponens Gehöft verlangsamte der Müller den Schritt und spähte zu den Mansardenfenstern hinauf, um herauszufinden, ob die Klubberaterin daheim sei. Dann hielt er Ausschau nach ihrem blauen Fahrrad. Nirgends zu sehen. Sie war also in den Dörfern unter­ wegs… beriet die Kinder bei der Gartenpflege und ver­ teilte Gemüserezepte an die Bäuerinnen. Huttunen verspürte Eifersucht, wenn er daran dachte, wie sie in diesem Moment unwillige Rotznasen im Verziehen von Mohrrüben unterwies oder dicken Bäuerinnen Ratschlä­ ge fürs Salatschneiden gab.
    Huttunen dachte an seinen eigenen schwarzen Klub­ garten. Für ihn hatte die Beraterin keine Zeit gehabt. Sie hätte wenigstens mal vorbeikommen und sich ansehen können, wie fleißig er den Boden bearbeitet, wie er gedüngt und gesät hatte! Genau nach der Vorschrift!
    Hatte sie sich mit ihm einen Scherz erlaubt, indem sie einen erwachsenen Mann anstellte, Kinderarbeit zu machen? Man verspottete ihn auch schon in diesem Sprengel wieder genug, nannte ihn den irren Lulatsch… Mußte sie in denselben Chor einstimmen…? Der Ge­ danke erschien ihm äußerst widerwärtig und finster. Gunnar Huttunen wandte sich von Siponens Haus ab. Wütend legte er den Rest des Heimwegs im Laufschritt zurück.
    Auf dem Rückweg vom Laden kam ihm die Lehrers­ frau auf dem Fahrrad entgegen. Als sie ihn angerannt kommen sah, stieg sie ab und machte ihm Platz.
    Vor der Mühle blieb Huttunen stehen und betrachtete seine Parzelle. Schwarz und leblos lag sie da. Sie wirkte verlassen, wie er fand, verlassen von der Klubberaterin. Und er selbst hatte das Gefühl, als sei er genauso ver­ lassen worden. Traurig ging er in seine kleine Stube im Obergeschoß der Mühle, stieß die Gummistiefel von den Füßen und warf sich aufs Bett, ohne vorher zu essen. Ein paar Stunden seufzte er schwer, ehe er Schlaf fand. Er schlief unruhig, geplagt von wirren und schweren Träumen.
    5
    Als der Müller gegen Morgen erwachte und auf seine Taschenuhr sah, zeigte diese die vierte Stunde.
    Es war eine ausgezeichnete Uhr mit echtem Stahlge­ häuse. Huttunen hatte sie während des Waffenstill­ stands in Riihimäki von einem abgebrannten deutschen Feldwebel auf dem Durchmarsch gekauft, der geschwo­ ren hatte, sie sei sowohl zeit- als auch wasserbeständig. Im Lauf der Jahre hatte sich die Behauptung als zutref­ fend erwiesen. Einmal hatte Huttunen in einer Männer­ runde eine Wette darüber abgeschlossen, daß die Uhr wasserdicht sei. Er hatte sie in den Mund genommen, und sie hatte normal weiterfunktioniert, auch dann, als er in die Sauna gegangen und länger als eine Stunde geblieben, ja sogar zweimal in den See getaucht war. Dabei hatte er die Uhr ständig im Mund behalten. Im See war er bis auf den Grund getaucht, hatte dort un­ beweglich gelegen und gehorcht, ob die Uhr gehe. Ihr Ticken war unter Wasser gut zu hören, denn dort herrschte größerer Druck als in der Sauna; es hallte in seinem ganzen Kopf wider. Als Huttunen die Uhr nach dem Experiment aus dem Mund nahm und abwischte, konnte man feststellen, daß sie genauso ging, als hätte sie sich die ganze Zeit in der trockenen Tasche befun­ den. Kein einziger Schaden ließ sich feststellen. Jetzt stand sie auf vier.
    Nachdem Huttunen seine Uhr aufgezogen hatte, wan­ derten seine Gedanken zur Klubberaterin. Er erinnerte sich, daß sie ihn aufgefordert hatte, sich bei eventuellen Problemen im Gartenbau jederzeit an sie zu wenden.
    Wenn er nun tatsächlich hinginge,
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