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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer
Autoren: Boris Vian
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darf sie nicht. Sie muß es wissen. Sie unter diesen Umständen einzusperren ... Da muß ich etwas unternehmen. Ich muß ... das will ich nicht hinnehmen ... mir bleibt nur noch ein einziger Tag ... noch bin ich nicht im Boot auf dem roten Bach ...
    »Geht wieder spielen, meine Kleinen«, sagte er, »ich muß wieder hinauf zu eurer Mutter.«
    Sie stoben knapp über den Wellen dahin, spielten Fangen, kamen wieder zu ihm zurück, gaben ihm für einen Augenblick das Geleit und halfen ihm über die höchsten Felsen hinweg. In wenigen Augenblicken hatte er den Kamm erreicht. Entschlossenen Schrittes ging er auf das Haus zu.

28
    »Aber hören Sie mal«, sagte Clémentine verwundert, »ich verstehe Sie nicht. Gestern fanden Sie die Idee noch ausgezeichnet, und jetzt kommen Sie daher und finden sie absurd.«
    »Ich stimme Ihnen immer noch bei«, sagte Jacquemort. »Ihre Lösung sichert ihnen einen wirksamen Schutz. Aber ein Problem bleibt nach wie vor ungelöst, und Sie haben vergessen, es sich zu stellen.«
    »Welches?«, fragte sie.
    »Nämlich: Haben sie diesen Schutz überhaupt nötig?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Das ist doch klar. Ich sterbe vor Unruhe den ganzen Tag über, wenn ich mir denke, was ihnen alles zustoßen könnte.«
    »Der Gebrauch des Konditionals«, bemerkte Jacquemort, »ist sehr häufig ein Eingeständnis der eigenen Ohnmacht — oder der Eitelkeit.«
    »Verlieren Sie sich nicht in unnützen Abschweifungen. Seien Sie ein wenig normal. Nur ein einziges Mal.«
    »Hören Sie«, fuhr Jacquemort unbeirrt fort, »ich bitte Sie ernstlich, es nicht zu tun.«
    »Aber aus welchem Grund«, fragte sie. »Erklären Sie mir das einmal!«
    »Sie würden es nicht begreifen ...«, murmelte Jacquemort.
    Er hatte es nicht gewagt, ihr Geheimnis zu verraten. Wenigstens das wollte er ihnen lassen.
    »Ich glaube, ich bin besser als irgendjemand in der Lage, zu beurteilen, was ihnen guttut.« »Nein«, sagte Jacquemort. »Dazu sind die Kinder besser als Sie in der Lage.«
    »Das ist absurd«, sagte Clémentine trocken. »Diese Kinder sind ständig irgendwelchen Gefahren ausgesetzt, wie übrigens alle Kinder.«
    »Sie haben Abwehrmittel, die Sie nicht haben«, sagte Jacquemort.
    »Und schließlich«, sagte sie, »lieben Sie sie nicht so, wie ich sie liebe, und Sie können nicht fühlen, was ich fühle.«
    Jacquemort schwieg einen Augenblick lang.
    »Natürlich«, sagte er schließlich. »Wie soll ich sie auch so lieben wie Sie?«
    »Nur eine Mutter könnte mich verstehen«, sagte Clémentine.
    »Aber Vögel sterben doch im Käfig«, sagte Jacquemort.
    »Die leben ganz gut«, sagte Clémentine. »Es ist sogar der einzige Ort, wo man ihnen eine anständige Pflege angedeihen lassen kann.«
    »Nun gut«, sagte Jacquemort. »Ich sehe schon, dass da nichts zu machen ist.«
    Er erhob sich.
    »Ich werde Ihnen jetzt Lebwohl sagen. Wahrscheinlich sehe ich Sie nicht mehr.«
    »Wenn sie erst eingewöhnt sind«, sagte sie, »werde ich vielleicht ab und zu ins Dorf kommen können. Außerdem begreife ich Ihre ablehnende Haltung umso weniger, als Sie sich im Grund genommen ja auch auf ähnliche Weise einschließen.«
    »Ich schließe dafür niemand anderen ein«, sagte Jacquemort.
    »Meine Kinder und ich sind eins«, sagte Clémentine. »Ich liebe sie so sehr.«
    »Sie haben eine sonderbare Weltanschauung«, sagte er.
    »Dasselbe habe ich von Ihnen gedacht. Meine hat nichts Sonderbares an sich. Die Welt, das sind meine Kinder.«
    »Nein, da verwechseln Sie etwas«, sagte Jacquemort.»Sie möchten gern die Welt Ihrer Kinder sein. In dieser Auffassung liegt das Zerstörerische.«
    Er erhob sich und verließ den Raum. Clémentine sah ihm nach wie er fortging. »Er sieht nicht sehr glücklich aus«, dachte sie, »kein Wunder, er hat wohl keine Mutter gehabt.«

29
    15. Märuli
    Die drei gelben Monde, für jeden einer, hatten sich gerade vors Fenster gesetzt und spielten Fratzenschneiden mit den Brüdern. Alle drei hatten sich im Nachthemd in Citroëns Bett zusammengekuschelt, von wo aus man sie am besten sehen konnte. Ihre drei zahmen Bären tanzten am Fußende des Bettes einen Ringelreihen und sangen dazu, aber ganz leise, um Clémentine nicht zu wecken, die Hüterin der Hummer. Citroën, der zwischen Noël und Joël saß, schien nachzudenken. In seinen Händen hielt er etwas verborgen.
    »Ich suche nach dem richtigen Spruch«, sagte er zu seinen Brüdern. »Der so anfängt ...«
    Er hielt inne.
    »Das ist’s. Ich hab’s.«
    Er führte die
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