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Liebe klopft nicht an

Liebe klopft nicht an

Titel: Liebe klopft nicht an
Autoren: Petra Roeder
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Kapit el 1
     
     
     
    Kraftlos ließ Amy die Hand mit dem Telefonhörer sinken und starrte an die gegenüberliegende Wand. Wie aus weiter Ferne drang Jessicas Stimme an ihr Ohr, doch Amy war nicht in der Lage zu antworten. Kaum merklich schüttelte sie den Kopf, als sie sich Jessicas Worte noch einmal ins Gedächtnis rief.
    »Seit du mit Dylan zusammen bist, hast du dich völlig verändert. Früher warst du lebensfroh und hast jeden Tag in vollen Zügen genossen. Deine Unbeschwertheit und Spontanität hat uns alle angesteckt. Jetzt sitzt du nur noch wie ein braves Heimchen in deiner Wohnung und wartest darauf, dass er sich bei dir meldet. Dein ganzes Leben dreht sich nur noch um diesen Typen, der, wenn ich ehrlich sein soll, ein echtes Arschloch ist. Du tust alles, was er sagt und deine eigenen Bedürfnisse lässt du links liegen. Manchmal kommt es mir so vor, als wärst du nicht seine Freundin, sondern seine Leibeigene. Und dabei merkst du gar nicht, dass dieser Scheißkerl dich nur ausnutzt.«
    Wham, das hatte gesessen.
    »Bist du noch dran?« Jessicas Stimme klang mittlerweile leicht besorgt. Amy schloss die Augen und holte tief Luft, bevor sie den Telefonhörer wieder an ihr Ohr hob.
    »Ja, ich bin hier«, antwortete sie. Jessica atmete lautstark durch und setzte ihre Schimpftirade fort, ohne Amy die Chance zu lassen, etwas zu sagen.
    »Das Einzige, was man diesem Kerl zugutehalten kann, ist sein Aussehen, mehr aber auch nicht«, schimpfte sie. Des Weiteren fielen noch Wörter wie: Intellektueller Geisterfahrer und Gefühls-Legastheniker, doch Amy war mit ihren Gedanken bereits ganz weit weg.
    »Amy?«
    »Ja?«
    »Es tut mir leid, wenn ich eben etwas hart war, aber es tut mir in der Seele weh, dich so zu sehen.«
    Amy schwieg. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie biss sich auf die Unterlippe, während sie angestrengt nachdachte. Sie wollte Jessicas Vorwürfe beiseiteschieben, aber insgeheim wusste Amy, dass ihre Freundin recht hatte. Jessica hatte das ausgesprochen, was Amy schon die ganze Zeit gewusst hatte, aber nicht wahrhaben wollte.
    »Lass uns morgen weiterreden, ja?«, schlug sie mit dünner Stimme vor. Amy konnte förmlich spüren, wie Jessica am anderen Ende der Leitung die Stirn in Falten legte.
    »Ist alles in Ordnung mit dir? Ich wollte dich wirklich nicht verletzen.«
    »Keine Sorge, mir geht es gut. Ich bin dir nicht böse, aber ich brauche jetzt etwas Zeit für mich, um über alles nachzudenken«, versicherte sie ihr.
    »Na gut, aber wenn du reden möchtest, dann rufst du mich an, egal, wie spät es ist.«
    »Ja, das werde ich tun«, erwiderte Amy.
    »Versprochen?«
    »Versprochen!«
    Nachdem Amy aufgelegt hatte, saß sie regungslos in ihrem gemütlichen, braunen Ledersessel und starrte stirnrunzelnd an die Wand. Unglücklich seufzend zwang sie sich wieder zurück in die Realität und fokussierte ihren Blick auf das alte Sideboard.
    Ihre Augen wanderten langsam zu den unzähligen Fotos, die darauf standen. Sie starrte auf eine Aufnahme in der Mitte, die noch keinen Monat alt war. Auf dem Bild waren Dylan und sie abgebildet.
    Er stand hinter ihr, hatte die Arme um ihren Oberkörper geschlungen und beide lachten in die Kamera.
    Einige Strähnen von Amys langen, rotbraunen Haaren wehten ihr auf dem Foto ins Gesicht. Dylans kurze, schwarze Haare dagegen, schienen dem Wind standzuhalten und saßen perfekt. Nicht weiter verwunderlich, bei den Unmengen an Gel, das er permanent verwendete und das Amy immer aus dem Friseurladen mitgehen ließ, in dem sie arbeitete. Selbst der Motorradhelm konnte seine Frisur nicht zerstören. Sobald er ihn abnahm, sprangen seine Haare in die ursprüngliche Position zurück.
    Dylan war braun gebrannt, was seine stechend grünen Augen noch mehr zur Geltung brachte. Er war fast zwanzig Zentimeter größer als Amy, mit ihren ein Meter siebzig. Auf den ersten Blick hätte man meinen können, ein glückliches Paar zu sehen, doch bei genauerem Hinsehen erkannte man, dass Amys Lachen ihre Augen nicht erreichte. Ein untrügliches Zeichen, dass etwas nicht stimmte.
    Amy konnte sich noch sehr gut an den Tag, an dem das Foto gemacht wurde, erinnern. Sie hatte Dylan vorgeschlagen, an den Strand zu fahren, doch er hatte nur lächelnd abgewunken und ihr erklärt, dass er lieber eine Tour mit dem Motorrad machen wolle.
    Amy hasste dieses verfluchte Gefährt, hatte aber nicht gewagt, ihm zu widersprechen. So war es jedes Mal. Nie nahm er Rücksicht auf ihre Bedürfnisse.
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