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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer
Autoren: Boris Vian
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häufig im Kreise herum, nachdem er aus Berichten erfahren hatte, dass Gefangene im Kreise herumgehen wie Tiere; fragte sich nur welche Tiere? Er schlief oder versuchte einzuschlafen mit dem Gedanken an die Hinterseite seiner Frau, denn in Anbetracht dieses Bauches gedachte er ihrer lieber von hinten. Jede zweite Nacht fuhr er aus dem Schlaf. Das Leid, ganz allgemein, war zugefügt, und das hatte nun einmal nichts Befriedigendes an sich.
    Jacquemorts Tritte hallten im Treppenhaus. Zur gleichen Zeit verstummten die Schreie der Frau, und Angel erschrak. Vorsichtig näherte er sich der Kammertür und versuchte, etwas zu sehen, aber das Fußteil des Bettes verdeckte alles Übrige, und schmerzhaft verrenkte er sich das linke Auge, jedoch ohne zufriedenstellendes Ergebnis. Er richtete sich wieder auf und spitzte die Ohren, aber nach niemand im Besonderen.

3
    Jacquemort legte die Seife auf dem Beckenrand ab und langte nach dem Frotteehandtuch. Er trocknete sich die Hände und öffnete seine Ledertasche. Wasser brodelte in einem elektrischen Kochgefäß. Darin sterilisierte Jacquemort seinen Fingerling, streifte ihn geschickt über und deckte die Frau auf, um zu sehen, wie nun vorzugehen sei.
    Nachdem er sich darüber im klaren war, richtete er sich wieder auf und sagte mit angeekeltem Ton:
    »Drei sind’s.«
    »Drei...«, murmelte die Mutter erstaunt.
    Darauf fing sie wieder an zu heulen, denn ihr Bauch erinnerte sie plötzlich daran, dass er ihr sehr weh tat.
    Jacquemort holte ein paar Stärkungstabletten aus seiner Tasche und schluckte sie hinunter, er würde sie noch benötigen. Dann nahm er eine Wärmepfanne vom Haken und schlug damit kräftig auf den Fußboden, damit Dienstboten heraufkämen. Unten hörte er Gelaufe, dann Schritte im Treppenhaus. Das Dienstmädchen erschien in weißer Gewandung, wie zu einem chinesischen Begräbnis.
    »Bereiten Sie die Instrumente vor«, sagte Jacquemort. »Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Ich heiße Culblanc, mein Herr«, antwortete sie mit stark bäurischem Akzent.
    »Wenn das so ist, will ich Sie lieber nicht beim Namen nennen«, knurrte Jacquemort.
    Das Mädchen sagte nichts und machte sich daran, die vernickelten Geräte zu putzen. Er trat ans Bett. Mit einem Mal schwieg die Frau. Der Schmerz hatte sie überwältigt.
    Jacquemort nahm ein Gerät aus der Tasche und rasierte mit kundiger Hand den Schamhügel. Daraufhin umschrieb er mit einem weißen Farbstrich das Operationsfeld. Die Krankenschwester sah ihm dabei etwas verwundert zu, denn ihre Kenntnisse in Geburtshilfe gingen kaum über das Kuhkalben hinaus.
    »Haben Sie das Medizinische Handbuch von Larousse da?«, fragte Jacquemort, während er seinen Pinsel wegsteckte.
    Dies gesagt und getan, beugte er sich über sein Werk und blies auf die Malerei, damit sie schneller trockne.
    »Ich habe hier nur das Gesamtverzeichnis der Französischen Waffen- und Fahrradfabrikation von Saint-Etienne«, antwortete das Dienstmädchen.
    »Zu dumm«, sagte Jacquemort, »der Larousse hätte uns vielleicht weitergeholfen.«
    Ohne auf eine Antwort zu hören, ließ er seinen Blick ziellos im Zimmer umherschweifen, wobei er auf die Türe fiel, hinter der Angel sich langweilte.
    »Wer langweilt sich hinter dieser Tür?«, fragte er.
    »Das ist Herr...«, antwortete das Mädchen. »Er ist eingeschlossen.«
    In diesem Augenblick erwachte die Mutter aus ihrer dumpfen Ohnmächtigkeit und stieß eine Reihe spitzer Schreie aus. Ihre Fäuste verkrampften und lösten sich. Jacquemort wandte sich zum Dienstmädchen:
    »Haben Sie eine Waschschüssel?«, fragte er.
    »Ich geh eine holen«, antwortete das Mädchen.
    »Na wird’s bald, blöder Trampel«, sagte Jacquemort, »soll sie uns vielleicht dieses gute Paar Leintücher versauen?«
    Sie stürzte Hals über Kopf davon, und Jacquemort hörte befriedigt, wie sie sich im Treppenhaus die Fresse einschlug.
    Er näherte sich der Frau. Zärtlich streichelte er das verschreckte Gesicht. Mit beiden verkrampften Händen fasste sie ihn am Handgelenk.
    »Wollen Sie ihren Mann sehen?«, fragte er.
    »Oh, ja«, antwortete sie. »Aber geben Sie mir erst den Revolver, da drüben im Schrank...«
    Jacquemort schüttelte den Kopf. Das Hausmädchen kam zurück mit einer flachen ovalen Holzschüssel, wie man sie zum Hundeentlausen verwendet.
    »Das ist alles, was ich habe«, sagte sie, »damit müssen Sie zurechtkommen.«
    »Helfen Sie mir, sie ihr unters Kreuz zu schieben«, sagte Jacquemort.
    »Der Rand ist aber
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