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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer
Autoren: Boris Vian
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wenn man es nicht auf Anhieb gewusst hat und versuchen, durchzuhalten, es unablässig besser zu machen — man muß ihnen eine perfekte Welt aufbauen, eine saubere Welt, eine angenehme, harmlose, wie das Innere eines weißen Eis auf einem Federkissen.

25
    80. Dezärz
    Nachdem er die Arbeiten in Auftrag gegeben hatte, kam Jacquemort auf seinem Nachhauseweg an der Kirche vorbei, und da ihm die frühe Morgenstunde etwas Muße ließ, beschloss er ein wenig mit dem Pfarrer zu plaudern, dessen Ansichten ihm außerordentlich gefielen. Er trat in das weiträumige ellipsenförmige Kirchenschiff, wo angenehmes Helldunkel herrschte, sog die religiöse Atmosphäre genießerisch wie ein alter Lebemann ein, gelangte an die nur angelehnte Sakristeitür und schob sie auf. Dreimaliges leises Klopfen hatte seine Ankunft angekündigt.
    »Herein«, sagte der Pfarrer.
    Er war gerade beim Seilhüpfen, in Unterhosen mitten in dem vollgestellten kleinen Raum. In seinem Lehnsessel saß fachmännischen Blicks der Küster, ein Glas Schnaps in der Faust. Das Hinken des Pfarrers tat der Eleganz seiner Darbietung einigen Abbruch, nichtsdestoweniger erledigte er sie ganz zu seinem Vorteil.
    »Guten Tag«, sagte der Küster.
    »Meine Ehrerbietung, Herr Pfarrer«, sagte Jacquemort. »Da ich eben vorbeikam, wollte ich die Gelegenheit nutzen, um Ihnen guten Tag zu sagen.«
    »Das wäre hiermit erledigt«, bemerkte der Küster. »Wie wär’s mit einem Schluck von dem Fusel?«
    »Machen Sie hier bloß nicht auch noch auf volkstümlich«, sagte der Pfarrer streng. »Dem Hause des Herrn gebührt eine Luxussprache.«
    »Aber die Sakristei, mein Pfarrer«, bemerkte der Küster, »ist doch sozusagen der Abort im Hause des Herrn. Da kann man sich doch ruhig ein bisschen gehenlassen.«
    »Teuflische Kreatur«, sagte der Pfarrer und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Ich frage mich, warum ich Sie noch immer bei mir behalte.«
    »Geben Sie doch zu, dass das eine gute Propaganda für Sie hergibt, mein Pfarrer«, sagte der Küster. »Und für Ihre Veranstaltungen bin ich Ihnen immerhin von Nutzen.«
    »Ach ja richtig«, sagte Jacquemort, »was planen Sie als Nächstes?«
    Der Pfarrer hörte auf zu hüpfen, legte gewissenhaft sein Springseil zusammen und stopfte es dann unordentlich in eine Schublade. Während er sprach, rieb er sich seinen schwabbligen Brustkorb mit einem leicht angegrauten Frotteehandtuch trocken.
    »Das wird grandios«, sagte er.
    Er kratzte sich in der Achselhöhle, dann sogleich am Nabel, schüttelte den Kopf und fuhr fort:
    »Es wird ein Schauspiel, dessen Luxus den weltlicher Darbietungen verblassen lassen wird, wo entkleidete Gestalten den Vorwand zur Schaffung eines glanzvollen Rahmens abgeben sollen. Darüber hinaus mögen Sie sich vorstellen, dass die Hauptattraktion eine überaus sinnreiche Einrichtung zur Annäherung an den Herrn darstellt. Dabei möchte ich folgendermaßen verfahren: Inmitten einer unvorstellbaren Prachtentfaltung von Dekorationen und Kostümen wird ein Chor von Marienkindern eine goldene Montgolfiere, die durch tausend silberne Schnüre mit dem Boden verbunden bleibt, bis zum Bastiën-Feld schleppen. Unter den Klängen der Dampforgel werde ich in der Gondel Platz nehmen, und sowie dann die passende Höhe erreicht ist, diesen Schurken von Küster hinauswerfen. Und GOtt wird lächeln ob der unvergesslichen Pracht dieses Festes und angesichts des Triumphes, der seinem Luxus-Wort beschieden ist.«
    »He, Moment mal«, sagte der Küster, »davon haben Sie gar nichts gesagt, mein Pfarrer; da schlage ich mir ja die Fresse ein!«
    »Teufelsgezücht!« grollte der Pfarrer, »und was ist mit deinen Fledermausflügeln!«
    »Ich bin seit Monaten nicht geflogen«, sagte der Küster, »und jedes Mal wenn ich’s versuche, schmeißt mir der Schreiner eine Ladung grobes Salz in den Arsch und behandelt mich wie Geflügel«
    »Pech für dich«, sagte der Pfarrer, »dann wirst du dir eben die Fresse einschlagen.«
    »Nun gut, wer den größten Schaden davon haben wird, sind Sie«, brummte der Küster.
    »Ohne dich? Was das endlich für eine Erleichterung sein wird!«
    »Hm, äh ...«, ließ sich Jacquemort vernehmen, »erlauben Sie eine Bemerkung? Mir scheint, Sie beide stellen die Gegenpunkte eines Gleichgewichtes dar; der eine bringt den ändern erst richtig zur Geltung. Ohne Teufel würde Ihre Religion den fahlen Beigeschmack des Kostenlosen und somit Wertlosen erhalten.«
    »Da schau her«, sagte der Küster, »ich bin gar
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