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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel
Autoren: Catherine Coulter
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langen Schritten entfernte. Sein Haar glänzte wie ein goldener Helm in der Sonne.
    Merrik fand Cleve beim Holzhacken im Wald. Er schwang die alte Axt, die noch von Merriks Großvater stammte. Ihre Schneide war messerscharf und der Schaft glänzte blank von den ungezählten Männerhänden, die sie im Laufe vieler Jahre gehalten hatten. Cleve war nur mit einem Lendenschurz bekleidet, sein muskelbepackter, gebräunter Oberkörper glänzte schweißnaß in der Sonne. Die Narben in seinem Gesicht empfand Merrik nicht mehr als störend. Ob Sarla ihn zum Ehemann nehmen würde?
    Wem gab sie den Vorzug, dem jungen Cleve oder Hailad, dem alten aber reichen und mächtigen Mann? Wer konnte die Gedanken einer Frau lesen? Cleve hob den Kopf.
    »Wenn du weiter so drauflos hackst, kommen wir gut über den Winter«, bemerkte Merrik anerkennend. »Ich komme, um dir zu danken, Cleve. Du warst Roran eine große Hilfe, Malverne in Ordnung zu halten.«
    »Es gab keine besonderen Vorfälle«, entgegnete Cleve, wischte das Schneideblatt der Axt an seinem Lendenschurz ab und schlenderte auf Merrik zu, der es sich unter der alten Eiche bequem machte. »Die Ernte ist eingebracht, das Vieh und die Kinder sind wohlgenährt. Und Taby lernte auf dem Pony zu reiten. Dein Hof steht auf fruchtbarem Ackerland.«
    »Ja, ich weiß. Aber der Besitz war eigentlich nicht mir zugedacht, wie du weißt. Manchmal kommt es mir seltsam vor, daß nun alles mir gehören soll. Hat Taby uns vermißt?«
    »Anfangs schon. Doch beim Reiten hat er euch schnell vergessen.« Dabei schlug Cleve Merrik lachend auf die Schulter. Über seine eigene Vertraulichkeit erschrocken, zog der ehemalige Sklave die Hand schnell wieder zurück.
    »Nur zu, mein Freund, du bist frei«, ermunterte ihn Merrik. »Ich wollte dich ohnehin fragen, ob du mit Taby und Hallad in die Normandie gehen willst. Der große Rollo möchte sich bei dir bedanken. Was immer du wünschst, es soll dir gewährt sein. Rollo ist ein guter und großherziger Mann. Bei ihm hättest du ein gutes Leben, Cleve.«
    »Ich werde darüber nachdenken, Merrik. Ich danke dir.«
    »Sag, was hältst du von Hallad?«
    »Er ist trotz seiner edlen Herkunft ein einfacher und gütiger Mann geblieben. Und er ist ein Mann, der großes Glück hatte. Sein Bruder glaubte an ihn und verbarg ihn drei lange Jahre. Und nun hat er seinen Sohn und seine Tochter wiedergefunden. Ja, Hallad ist ein glücklicher Mann.«
    »So ist es. Aber er ist kein junger Mann mehr. Er kommt in die Jahre. Würde er ein Kind zeugen, würde er es wohl kaum heranwachsen sehen.«
    Cleve wurde sehr still. »So wird es sein«, brummte er schließlich. »Das Leben sorgt für Überraschungen.« Damit wandte er den Kopf ab und blickte zu den fernen Berggipfeln jenseits des Fjords hinüber.

Kapitel 27
    Zwei Tage später saß Laren am Nachmittag vor dem Haus und lud ein Weberschiffchen. Bald würde der Faden zu einem blauen Tuch verwoben sein, das zu Merriks blauen Augen paßte. Sie sah das Wams bereits vor sich, das sie für ihn fertigen würde. Leise summte sie inmitten der vertrauten Alltagsgeräusche vor sich hin. Plötzlich hörte sie, wie Taby sie aufgeregt ängstlich rief. Das Weberschiffchen entglitt ihren Händen. Erschrocken sprang sie auf die Füße.
    Taby kam mit bleichem Gesicht auf sie zugerannt, seine nackten Beine waren von Brombeerdornen blutig gekratzt.
    »Laren! Wo ist Merrik? Laren!«
    Sie lief ihm entgegen, ging in die Knie und umfing ihn. »Was ist passiert, Taby?«
    Er rang keuchend nach Luft und brachte kein Wort heraus. Sie hielt das schlotternde Kind fest. Ihr Herz pochte rasend schnell.
    »Was ist los?« Sie rüttelte ihn. »Was ist passiert?«
    »Es ist Cleve«, stieß Taby endlich hervor. »Er stirbt. Schnell, Laren. Einen Strick. Schnell!«
    Er befreite sich aus ihren Armen und rannte den Weg wieder zurück. »Beeil dich!« schrie er über die Schulter.
    Merrik kam den Pfad vom Fjord herauf, in der Hand hielt er ein Dutzend Heringe an einer Schnur aufgefädelt. Neben ihm stapfte der Alte Firren.
    »Kommt schnell!« schrie Laren den beiden entgegen. »Cleve ist etwas passiert! Wir brauchen ein Seil!«
    Merrik rief eilends Oleg und ein Dutzend Männer zusammen. Alle rannten hinter Taby her und hatten ihn bald eingeholt. Merrik hob den Buben auf die Schulter und redete mit ruhiger Stimme auf ihn ein: »Sag uns, wohin wir gehen sollen, Taby. Ganz ruhig, zeig uns den Weg!«
    Taby schluchzte vor Verzweiflung, als sie den schmalen Pfad zum
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