Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
eigenhändig töten. Aber sie sind mit dem Leben davon gekommen. Du hast sie verschont, wenn auch aus niederträchtigen Beweggründen. Hast du noch etwas zu sagen, Ferlain?«
    »Eins noch, alter Mann. Hätte man dich nicht angeklagt, deine Hure umgebracht zu haben, hättest du nach kurzer Zeit wieder ein junges Mädchen geheiratet, weil du ein lüsterner Greis bist. Und die nächste Schlampe wäre vermutlich jünger gewesen als Helga und ich. Mit ihr hättest du dann noch mehr Knaben gezeugt. Du hast ständig mit deiner Zeugungskraft vor uns geprahlt. Ja, du hättest nicht aufgehört, Kinder in die Welt zu setzen. Und alle wären lebendig gewesen und hätten schreiend den
    Mutterleib verlassen. Nur meine Kinder waren alle stumm und tot.«
    »Und jetzt hast du alles verloren, Ferlain«, warf Rollo ein.
    »Ich habe immer noch Cardle.«
    »Er ist ein harmloser und treuer Mann. Wußte er, daß du mit Fromm ins Bett gestiegen bist? Und mit Otta?«
    »Er würde es nicht einmal zur Kenntnis nehmen, wenn ich es ihm ins Gesicht schrie.« Ihre Stimme war voller Verachtung. »Und du Onkel Rollo hast mich mit diesem Dummkopf vermählt. Ich mußte seinen Männerriemen in den Mund nehmen, um ihn steif zu kriegen. Ich mußte ihn in mich einführen, denn er gaffte mich nur geistesabwesend an, weil seine Gedanken ganz woanders waren — bei den alten Römern oder bei König Alfred oder dem anderen Idioten, diesem Karl dem Großen. Fromm und Otta hatten wenigstens den Appetit von Männern. Ich wünschte, du würdest sterben, Onkel Rollo. Aber den Gefallen tust du mir nicht. Du wirst ewig leben, das weiß ich.«
    Ganz langsam sackte sie in die Knie, senkte den Kopf, schlang die Arme um sich und wiegte sich hin und her.
    »Warum wolltest du Merrik umbringen?« fragte Rollo mit seltsam milder Stimme. »Er hat dir doch nichts getan.«
    Sie blieb ihm lange die Antwort schuldig. Rollo war gerade im Begriff, die Frage zu wiederholen, als sie den Kopf hob und Merrik ansah wie einen Fremden. »Er wäre der nächste in der Reihe der Erben gewesen. Wenn ich keinen Sohn in die Welt setzen konnte, durfte ich auch nicht zulassen, daß er die Herrschaft übernahm und nach ihm sein Sohn.«
    »Er wird dieses Land niemals regieren, Ferlain«, sagte Rollo mit der Stimme eines wahren Herrschers, kalt und entschlossen, eine Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »Er wird nie regieren. Taby ist am Leben, und er ist gesund und wohlauf. Er lebt in Vestfold in Norwegen, auf Merriks Gehöft.«
    Ferlain sprang mit erstaunlicher Behendigkeit auf die Füße. »Nein! Du lügst! Dieser Merrik hat sich deine Gunst erschlichen. Er . . .«
    »Taby lebt. Merrik fand Laren und Taby auf einem Sklavenmarkt in Kiew. Ich wollte, ich hätte einen Sohn wie Merrik in die Welt gesetzt. Er ist ein Mann von Ehre. Auch mein Sohn Wilhelm ist ein ehrenhafter Mann, und er wird nach mir über das Reich herrschen, Ferlain. Taby wird ihm treu und ergeben zur Seite stehen.«
    Ferlain verstummte. Fassungslos blickte sie von Rollo zu Laren und dann zu Merrik.
    Schließlich befahl Rollo: »Weland bring sie in ihr Schlafgemach. Stelle zwei Wachen vor ihre Tür. Ich werde später entscheiden, was mit ihr geschehen soll.«
    Kurz vor Morgengrauen huschte Helga in das Schlafgemach. Im fahlen Schein der Fackel sah sie nicht mehr jung aus. »Komm schnell«, flüsterte sie Merrik ins Ohr und rüttelte ihn wach. »Komm.«
    Rollo und Hallad waren bereits anwesend und blickten schweigend auf das Bett. Ferlain lag auf einem weichen Kissen, in ein kostbar besticktes Gewand gehüllt, das liebevolle Hände um ihren unförmigen Leib drapiert hatten. Ihr Gesicht war glatt und friedlich, im Tod schien ihre Jugend zurückgekehrt, und ihre Lider waren von sanften Fingern geschlossen worden. Sorgfältig geflochtene Zöpfe lagen auf ihren Brüsten, die Arme an ihrer Seite, die Handflächen nach oben geöffnet.
    »Cardle ist verschwunden«, sagte Rollo leise zu Laren und Merrik. »Sie ist seit geraumer Zeit tot.«
    »Wie ist sie gestorben?« fragte Laren.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Rollo. »Sie hat keine Verletzung. Ihr Gesicht ist friedlich, also hat es keinen Kampf gegeben. Helga fand sie kurz vor Morgengrauen. Nach Aussage der Wachen hat sie nicht versucht, das Zimmer zu verlassen. Cardle verließ das Gemach am späten Abend. Die Wachen sahen keinen Grund, ihn festzuhalten.
    »Begrabt sie«, sagte Hallad schroff. »Begrabt sie noch heute morgen.«
    Rollo nickte bedächtig.
    »Was geschieht mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher