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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel
Autoren: Catherine Coulter
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der aus China stammen soll, wie der Alte Firren behauptet.«
    »Firren lügt, sobald er den Mund aufmacht. Aber die Seide ist wirklich schön.«
    »Schenkst du ihn deiner Braut? Wirst du bald deinen eigenen Hof haben, Merrik? Oder ziehst du mit ihr auf das Gehöft ihres Vaters?«
    Merrik schwieg. Im Winter hatte sein Vater Verhandlungen mit Olaf Thoragasson über Merriks Vermählung mit dessen Tochter geführt, ohne ihn davon zu unterrichten. Merrik kannte die siebzehnjährige Letta nur flüchtig. Die väterliche Einmischung ärgerte ihn, denn er wurde schließlich demnächst vierundzwanzig. Dennoch hatte er geschwiegen. Das Mädchen war hübsch, machte einen liebenswürdigen Eindruck und erhielt eine stattliche Mitgift. Sobald er zu Hause war, würde er sie sich genauer ansehen und dann seine Entscheidung treffen. Falls er sie heiratete, würde er den Hof des Vaters verlassen, denn sein ältester Bruder Erik und dessen Frau, die sanfte Sarla, würden bald viele Kinder haben und den Hof übernehmen. Für eine Großfamilie war es auf dem Anwesen jedoch zu eng. Der Gedanke, das Elternhaus verlassen zu müssen, behagte Merrik nicht. Doch bei seiner Heirat mußte er fortgehen, denn in Vestfold gab es nicht genügend fruchtbares Land. Der mittlere Bruder Rorik hatte die Habichtsinsel vor der Küste von Britannien besiedelt und dort sein Glück gemacht.
    »Heiraten und Land besiedeln sind Entscheidungen, die wohl überlegt sein wollen«, meinte Merrik nachdenklich.
    »Das sagt mein Vater auch immer.«
    Auf dem Platz befanden sich etwa achtzig männliche und weibliche Sklaven jeden Alters. Manche hielten sich stolz aufrecht, die meisten aber standen schicksalsergeben mit gesenkten Köpfen da und beteten im Stillen zu ihren Göttern, ihr künftiger Herr möge sie einigermaßen gut behandeln.
    Merrik schritt langsam die Reihen ab. Die Frauen standen getrennt von Männern und Knaben auf einer Seite zusammen, die älteren von ihnen im Hintergrund. Hinter den Reihen der Männer gingen Aufseher mit Peitschen in den Händen auf und ab. Von den Jammergestalten, deren Wille seit ihrer Verschleppung längst gebrochen war, drohte freilich kaum Gefahr. Viele lebten seit Jahren in der Sklaverei, andere waren bereits als Sklaven zur Welt gekommen.
    Merrik war an den Anblick von Sklaven gewöhnt, seit er als kleiner Junge seinen Vater nach York begleiten durfte, der auf dem dortigen Sklavenmarkt Arbeitskräfte einkaufte. Der einzige Unterschied bestand darin, daß es dort weniger dreckig war und nicht so erbärmlich stank. Die Luft in Kiew war im Gegensatz zu der in Danelagh in dieser frühen Morgenstunde noch frisch und kühl.
    Viele der jungen Mädchen waren ansehnlich und recht sauber. Sie kamen aus allen Teilen der Welt, manche hatten eine gelbliche Hautfarbe, schräge Mandelaugen und schwarzes, glattes Haar. Es gab Rothaarige und Blonde aus Samarkand, die groß und kräftig gebaut waren; andere aus dem Balkan waren untersetzt mit kurzen Armen und Beinen. Ein junges Mädchen fiel Merrik auf. Sie trug das blonde Haar seines Volkes, hatte helle Haut und einen schlanken, langgliedrigen Körper. Aber für seine Mutter war sie ungeeignet. Sein Bruder würde ihr nachsteigen und sie beschlafen. Merrik hatte nicht die Absicht, Erik eine dritte Nebenfrau ins Haus zu bringen, sah er doch immer wieder das betrübte Gesicht Sarlas, wenn ihr Gemahl nachts zu einer seiner Gespielinnen schlich.
    Da sein Bruder nichts für schlanke Frauen übrig hatte, zog Merrik drei nicht besonders hübsche Mädchen mit hohlwangigen Gesichtern in die engere Wahl und hielt Ausschau nach Valai, dem Sklavenhändler, um mit ihm den Preis auszuhandeln. Valai feilschte gerade mit einem dicken Kaufmann aus Schweden, der nach Fisch und männlichem Samen roch. Der Fettwanst, der schon beim Reden in Atemnot geriet, war Merrik bereits am Abend zuvor im Haus eines Händlers aufgefallen, der seine Gäste mit Lustmädchen versorgte, die dann vor aller Augen auf den Holzbänken entlang der Wände des Saales bestiegen wurden. Merrik konnte unter sechs jungen Frauen wählen. Doch dann sah er, wie der Fettsack sich schnaufend auf einem Mädchen abmühte, das mit geschlossenen Augen reglos unter ihm lag. Der Bauch des
    Mannes wabbelte ekelerregend, bis er stöhnend zum Erguß kam. Das Mädchen hielt die ganze Zeit die Augen krampfhaft geschlossen, und Merrik sah, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Angewidert hatte er das Haus verlassen.
    Nun wanderte Merriks Blick
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