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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel
Autoren: Catherine Coulter
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mehr zu haben.«
    Er lieferte Taby bei seinem Vater ab und beruhigte ihn. »Du hast das Richtige getan, Taby. Jetzt bin ich dran. Bleib bei deinem Vater. Bald komme ich mit Laren zu dir.«
    Als er sich der kleinen Schlafkammer näherte, hörte er Larens Jubelschrei. »Er ist wach, Sarla! O gnädige Götter! Cleve ist endlich wieder bei Bewußtsein. Nun werden wir erfahren, was geschehen ist.«
    Langsam schob Merrik das Bärenfell beiseite. Laren beugte sich gerade über Cleve. Hinter ihr stand Sarla, im Begriff, eine schwere Öllampe vom Boden aufzuheben.
    »Tu es nicht, Sarla!« warnte er in aller Ruhe. »Stell die Lampe hin.«
    Sarla wirbelte herum. »Aber nein«, stammelte sie. »Nein, Merrik, das ist ein Mißverständnis.«
    Laren wandte sich mit einem glücklichen Lächeln um. »Cleve wird wieder gesund, Merrik. Sprich mit ihm. Jetzt werden wir erfahren, was geschehen ist.«
    »Ich weiß, was geschehen ist, Laren. Aber noch nicht alles. Sarla wird uns alles erzählen, nicht wahr, Schwägerin?«
    Laren richtete sich ganz langsam auf und erforschte Sarlas bleiches Gesicht, ihre dumpfen Augen. Sarla schüttelte den Kopf und stammelte: »Das verstehst du nicht, Merrik. Es ist nicht so, wie du denkst. Cleve hatte einen Unfall, ich schwöre es.«
    Laren fragte ungläubig: »Du Sarla? Du hast Celve .. .?«
    Sarla schüttelte unablässig den Kopf.
    »Aber warum? Ich begreife das nicht. Er liebte dich. Ich las es in seinen Augen, bevor wir abreisten. Und auch du hattest ihn ins Herz geschlossen.« Laren stockte. Erschrocken blickte sie Merrik an und flüsterte: »Erik? Hat sie auch Erik getötet?«
    »Ja. Ich nehme an, weil er sie wieder betrügen wollte — diesmal mit dir, und weil sie Gefallen an Cleve gefunden hatte.«
    »Ich habe Laren viel Schmach erspart. Ich habe ihre Ehre gerettet.«
    »Ja, auch das«, nickte Merrik kühl. »Aber das ist kein Grund, dich zur Heldin zu machen, Sarla. Warum wolltest du Cleve töten?«
    »Sag es ihm, Sarla!« Cleves Stimme war leise, gequält. »Sag ihm die Wahrheit, oder ich muß es tun.«
    »Cleve, du bist wieder bei Bewußtsein.« Laren fuhr herum und beugte sich schützend über Cleve.
    »Sei still du Narr! Du bist ein Lügner. Halt den Mund!«
    Leise sprach Cleve weiter: »Geh zur Seite, Laren. Sie wird mich nicht noch einmal angreifen. Merrik, sie trägt mein Kind. Bei eurer Rückkehr wollten wir heiraten. Doch dann kam Hallad mit euch. Er sah die sanfte, gutmütige Sarla und begehrte sie. Und Sarla wollte ihn, denn er ist reich und mächtig. Sie wollte Macht und Juwelen und Sklaven. Was bin ich schon? Ein Nichts, ein Niemand. Deshalb mußte sie Hallad das Kind unterschieben, das sie unter dem Herzen trägt. Ich versprach, sie nicht zu verraten, schwor ihr meine Liebe, weigerte mich aber, meinen Sohn einem anderen Mann zu überlassen. Niemals würde ich das zulassen. Deshalb schlug sie mich nieder.« Während seiner Rede hatte er den Blick nicht von Sarla gewendet. »Du hast deine Schönheit verloren, Sarla. Dein Liebreiz lag in deiner Sanftmut, deiner Güte, doch nun zeigst du der Welt dein wahres Gesicht. Du hast bereits öffentlich gestanden, Erik getötet zu haben, und niemand glaubte dir. Alle dachten, du willst nur Laren und mich beschützen.«
    Merrik blickte die Frau an, die ihm so nahe gestanden hatte, für deren Aufrichtigkeit und Güte er die Hand ins Feuer gelegt hätte. Beschwörend fragte er sie: »Hast du auch Deglin getötet?«
    »Ich sage kein Wort mehr«, entgegnete Sarla trotzig.
    »Ich habe oft darüber nachgedacht«, fuhr Merrik fort. »Wie konnte Deglin sich befreien? Wieso versuchte er nicht, zu fliehen? Woher hatte er das Messer? Der Schmied nahm an, einer der Männer habe es zum Schleifen vorbeigebracht, und er habe es in der Hütte vergessen. In Wahrheit hast du Deglin damit getötet. Du hast an alles gedacht, Sarla, an alles.«
    Sarla richtete sich kerzengerade auf und sprach mit belegter, aber stolzer Stimme: »Bring mich auf den Hof meiner Eltern zurück. Ich möchte von hier weg. Dieser Mann ist ein Lügner. Seine Eifersucht auf Hallad hat ihm den Verstand verwirrt. Sein vernarbtes Gesicht ist ein ekelerregender Anblick. Wie könnte eine Frau diesen häßlichen Menschen lieben, einen nichtswürdigen Sklaven? Er lügt. Alles ist gelogen. Weil ich ihn verschmäht habe, will er sich an mir rächen. Ich will diesen unseligen Ort verlassen.«
    Cleve richtete sich mühsam auf die Ellbogen. »Du wirst mein Kind hier zur Welt bringen. Dann kannst du
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