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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs
Autoren: Sara Douglass
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dann stieg er auf den langbeinigen braunen Wallach, den ihm sein Vater für die Reise gekauft hatte. Nicht genug damit, daß er bei Hofe vorgestellt werden sollte, nun besaß er sogar ein eigenes Pferd!
    Joseph nickte seiner Frau mit scheinbar ausdrucksloser Miene zu – nur sie konnte in seinen Augen lesen, was er empfand –
    dann lenkte er sein Pferd auf die Straße. »Vorwärts, Garth!
    Nach einem strammen Ritt von zehn Stunden wird dir das Grinsen noch vergehen.«

    Joseph hatte seinen Sohn unterschätzt. Die Aussicht, bis Ruen acht Tage lang jeweils zehn Stunden im Sattel sitzen zu müssen, tat seiner Begeisterung keinen Abbruch. Garth sollte Narbon zum ersten Mal in seinem Leben verlassen, und er war fest entschlossen, jeden Augenblick dieser Reise auszukosten und die Erinnerung daran für alle Zeit zu bewahren.
    Zunächst ging es durch die belebten Straßen der Stadt. Garth hatte die Aufgabe, das Packpferd zu führen. Überall drängten sich die Händler und ihre Kunden. Narbon war Escators größter Hafen. Hier luden die koroleanischen Frachtschiffe fremde Waren – und bisweilen noch fremdere Kunde – aus den geheimnisvollen Ländern des Westens ab. Von Escator wurde anschließend ein großer Teil der Güter über Land zu den neun Königreichen des Ostens befördert. Narbon war sozusagen die Engstelle in der Sanduhr des Ost-West-Handels, und dieser Umstand hatte die Stadt reich gemacht.
    Am Stadtrand nahm Joseph die Hauptstraße nach Norden, und Garth ließ die Blicke neugierig über das weite Schwemmland entlang der Küste schweifen. Nur wenige Menschen lebten in den Salzsümpfen, denn dort war es warm und feucht, ständig hing dichter Nebel über dem Land, und allein schon die tausend verschiedenen Arten von Stechmücken genügten, um die meisten Escatorianer von dieser Gegend fernzuhalten.
    »Schau!« Joseph streckte den Arm aus und zeigte auf eine behelfsmäßige Hütte, die etwa hundert Schritt abseits der Straße an einem niedrigen Sumpfbaum lehnte. Vor der Haustür wuschen eine Frau und ein junges Mädchen in einer großen Wanne ihre Wäsche. Nun hielten sie inne und sahen zu den Reitern herüber.

    Joseph zog höflich den Hut, und Garth folgte seinem Beispiel und grüßte ebenfalls. »Warum kommt denn überhaupt jemand freiwillig hierher?« fragte er seinen Vater und zog, wie um sich vor blutgierigen Insektenschwärmen zu schützen, den leichten Mantel fester um sich.
    Joseph ließ den Blick noch eine Weile auf der Frau und dem Mädchen ruhen, bevor er sich wieder der Straße zuwandte.
    »Ich denke, sie wohnen gern hier. Zweimal am Tag schwappt die Flut durch die Sümpfe und bringt Fische und Aale mit, und ständig schallen die Schreie der Seevögel durch die Luft. Sie sagen« – er zögerte –, »es sei ein schönes und erfülltes Leben.«
    »Ausgerechnet die Sümpfe!« murmelte Garth. In der Schule hatte er unzählige Geschichten über die kleinen Diebereien gehört, mit denen die Sumpfbewohner ihr Leben fristeten.
    »Die Leute sind harmlos«, sagte Joseph. Seine Stimme war etwas schärfer geworden.
    Garth sah seinen Vater erstaunt an. »Kennst du sie denn?«
    Joseph zuckte die Achseln. »Ich werde hin und wieder in die Sümpfe gerufen, obwohl man hier im allgemeinen auch gut allein zurechtkommt. Manchmal bittet mich diese Frau« – er warf einen letzten Blick zur Hütte zurück –, »um bestimmte Heilkräuter, die sie im Schwemmland nicht findet. Und gelegentlich fragt sie mich sogar um Rat.«
    Garths braune Augen wurden groß, und nun warf auch er einen Blick zurück, aber die Frau und das Mädchen waren in der elenden Kate verschwunden. »Dann kennst du sie näher?«
    »Sie heißt Venetia«, sagte Joseph kurz, und mehr bekam Garth nicht aus ihm heraus.
    Acht Tage lang ritten sie von Narbon aus nordwärts, bis sie Ruen erreichten. Die Nächte waren lau, und manchmal schliefen sie im Freien, sonst kehrten sie in einem der Gasthöfe an der Straße ein. Viele Reisende waren unterwegs, und die Straße wurde von der escatorianischen Miliz gut bewacht, so daß die Baxtors keinen Banditen begegneten, wie sie auf manchen kleineren Straßen des Reiches ihr Unwesen trieben.
    Zu beiden Seiten lagen die Felder grün und fruchtbar unter der Frühlingssonne, und Garth mußte erfahren, daß seine Ausbildung auch zu Pferde fortgesetzt wurde. Joseph zeigte ihm auf jeder Tagesetappe die Pflanzen, die auf den Wiesen und in den Straßengräben wuchsen, und erklärte ihm ausführlich, inwiefern sie heilkräftig
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