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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs
Autoren: Sara Douglass
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dazu.«
    Garth nickte. Anders als sein Vater, der sich nicht zu schade war, gegen geringes Entgelt das einfache Volk von Narbon zu behandeln, ließen sich die meisten Heiler mit der Gabe der

    ›Hände‹ ihre Dienste so teuer bezahlen, daß nur der Adel sie sich leisten konnte.
    »Aber?« drängte Garth. Sein Vater war immer noch mit seinen Fläschchen beschäftigt. Nun legte er einige beiseite und stellte den Rest wieder auf das Bett.
    »Aber Oberon Fisk versteht mit der Gabe nicht allzugut umzugehen. Ich vermute, sie tritt bei ihm nur in Schüben auf und auch dann nicht allzu stark. Was man übrigens nicht glauben würde« – Joseph hielt, ein Fläschchen in der Hand, inne und grinste –, »wenn man hört, wieviel er sich auf seine Fähigkeiten zugute hält.«
    »Dann solltest du der Leibarzt des Königs sein«, erklärte Garth im Brustton der Überzeugung. »Wenn du die ›Hände‹
    besser zu gebrauchen weißt als Oberon Fisk.«
    Joseph wurde ernst. »Vor acht Jahren bot Cavor mir das Amt an, aber ich hatte mich inzwischen in Narbon eingelebt, du machtest gute Fortschritte in der Schule, und deine Mutter wollte ihr gemütliches Heim nicht verlassen. Und außerdem«, fuhr er mit einem wehmütigen Blick auf seine schlichte Kleidung fort, »hätte ich bei Hofe keine gute Figur gemacht.
    Warum Cavor mich jetzt rufen läßt, kann ich nur vermuten.
    Aber ich nehme an, es hat mit dem Manteceros zu tun.«
    Garth runzelte die Stirn. Er hatte den Schnürsenkel fertig eingezogen und stellte den Stiefel auf den Boden. »Mit dem Manteceros?«
    Joseph zeigte auf seinen rechten Oberarm. »Die Tätowierung, die allen Königen von Escator eingeritzt wird. Gewöhnlich geschieht das im Kindesalter, wenn sie noch in den Windeln liegen, aber Cavor kam ja ganz unverhofft auf den Thron, als er schon Mitte Zwanzig war…«
    »Und in diesem Alter heilen Tätowierungen nicht mehr gut.«
    »Richtig«, nickte Joseph. »Sehr erfreulich, daß du wenigstens eine meiner Erklärungen behalten hast.«

    Garth lachte über den leisen Spott seines Vaters. Beide wußten, daß der Junge nur einmal etwas zu hören brauchte, um es nie wieder zu vergessen.
    »Als ich Cavors Tätowierung vor acht Jahren sah, war sie vereitert. Für das Königsmal verwendet man eine etwas andere Tinte als für gewöhnliche Körperzeichnungen. Die Eigenschaften dieser Tinte sind… nun ja, gefährlich.«
    »Was soll das heißen?«
    »Du weißt, daß Himmelblau die Farbe der Könige ist.«
    Garth nickte ungeduldig.
    »Nun, das Königsmal muß in dieser Farbe ausgeführt werden. Ein Kind verträgt sie gut, und Thronerben werden üblicherweise bald nach der Geburt damit gezeichnet. Aber bei erwachsenen Männern kommt es oft zu schlimmen Nachwirkungen. Seit man Cavor vor siebzehn Jahren das Mal in den Oberarm ritzte, hat er ständig Schwierigkeiten damit.
    Wenn sich die Entzündung zu weit ausbreitet, weiß Oberon keinen Rat mehr. Dann muß ein Heiler her, der viel Erfahrung mit den ›Händen‹ besitzt.«
    »Und der beste in ganz Escator bist du«, sagte Garth.
    »Und eines Tages wirst du es sein«, nickte Joseph und lächelte wieder. »Wer weiß, vielleicht wirst du in einigen Jahren an Oberons Stelle zum Leibarzt des Königs bestellt.«
    Darüber mußte Garth lachen. »Ich soll mein Leben lang die Hände um den Arm eines Herrschers legen, Vater? Da habe ich doch andere Pläne!«
    Hatte Garth schon über Ruens lärmende Fröhlichkeit gestaunt, so verschlug es ihm beim Anblick des Königspalasts vollends die Sprache.
    Zur Straße hin ragten fensterlose Außenmauern, nackte dunkelrote Ziegelwände unter einem Dach aus kerkergrauem Schiefer, mehr als fünf Stockwerke hoch auf. Doch hinter dem hohen schwarzen Eisentor lag eine andere Welt, und sobald sie die Wachen passiert hatten, vergaß Garth prompt die Stadt mit ihrem Lärm und ihrem geschäftigen Treiben.
    Die Mauern umgaben eine riesige Gebäudeanlage – ebenfalls aus roten Ziegeln erbaut – mit vielen Innenhöfen und Parkanlagen. Spazierwege schlängelten sich, gesäumt von kunstvoll beschnittenen Bäumen und Hecken, an Springbrunnen, Teichen und üppig blühenden Blumenbeeten vorbei. Hier lustwandelten, begleitet von drolligen weißen und goldgelben Schoßhündchen, prächtig gekleidete Frauen, die träge ihre Fächer schwenkten und aus schwarzen Augen kokette Blicke um sich warfen.
    Ein Diener in grauer Livree geleitete die Besucher schweigend durch mehrere solcher Gartenhöfe in einen schwach erleuchteten
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