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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs
Autoren: Sara Douglass
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zurück. Nun blitzte doch ein Fünkchen Angst in seinen dunkelblauen Augen auf.
    Der Reiter stieß ein heiseres Lachen aus und drehte den Kopf zur Seite. »Sind die Eisen heiß, Furst?«
    »Jawohl, Herr«, antwortete eine Stimme. Der Mann stand hinter den Reitern und war nicht zu sehen. »Aber wäre es nicht einfacher, ihn gleich zu töten? Dann hätten wir den Balg ein für allemal vom Hals.«

    Jetzt geriet Maximilian vollends in Panik. Er drehte sich hastig um und suchte nach einem Fluchtweg, aber der Ring von kalten, ausdruckslosen Augen machte jede Hoffnung zunichte.
    Schweratmend blieb er stehen. Der Reiter glitt aus dem Sattel und zog klirrend sein Schwert. »Das klingt verlockend, Furst.
    Aber die Antwort lautet nein. Das Mal schützt vor Mord, auch wenn es nur ein Wechselbalg trägt. Und jetzt frisch ans Werk!
    Ihr kennt die Befehle. Ergreift ihn!«
    Tagelang, wochenlang suchte man nach ihm. Erst Monde später gab man die Hoffnung auf. Das Volk von Escator trauerte mit seinem König und seiner Königin, denn Prinz Maximilian war sehr beliebt gewesen, und sein Verschwinden besiegelte das Ende der Persimius-Dynastie, die Escator seit Jahrhunderten regierte.
    Z wei Jahre später folgte ein Waldhüter einer Fährte in einen abgelegenen Teil des großen Waldes und stieß am Eingang einer Schlucht auf ein Häufchen Knochen. Mit geschultem Blick erkannte er die Überreste eines Pferdes und eines Hundes. Etliche Gebeine wiesen tiefe Krallenspuren auf, und irgendein Tier mit starkem Kiefer hatte den linken Oberschenkelknochen des Pferdes zerbissen, um an das Mark zu gelangen. Unruhe erfaßte den Waldhüter, er blickte auf.
    Aber die Neugier war stärker. Wo mochte der Reiter geblieben sein? Er fand einen Pfad und tastete sich langsam und geräuschlos in die felsige Schlucht hinein. Nach einer Weile entdeckte er einen überhängenden Felsen und darunter den Eingang zu einer kleinen Höhle.
    Eine Bärenhöhle. Noch vorsichtiger geworden, trat der Waldhüter mit steifen Schritten unter das Felsdach. Der Gestank des Bären hing schwer in der Luft, aber von der Bestie war nichts zu sehen oder zu hören, und so kauerte er sich nieder und durchwühlte rasch den Knochenhaufen, der seitlich neben dem Eingang lag. Die Gebeine waren zermalmt und zersplittert und ließen sich kaum noch zuordnen. Der Waldhüter wollte sich schon abwenden, als er unter einem der größeren Bruchstücke etwas glitzern sah.
    Er schob den Knochen zur Seite – und Tränen schossen ihm in die Augen. Unter den Resten der Bärenmahlzeit lag ein wundervoll gearbeiteter Goldring.
    Der Waldhüter hob ihn auf. Er trug das Wappen des Manteceros, das Emblem der Königsfamilie von Escator.
    Der Mann senkte den Kopf und ließ den Tränen freien Lauf.
    Hier lag alles, was vom letzten Angehörigen des alten Hauses Persimius geblieben war. Sechs Monde zuvor war der König gestorben, nur drei Wochen später war ihm die Königin gefolgt. Beide hatten sich von ihrem Kummer über den Verlust ihres einzigen Kindes nie erholt. Graf Cavor, ein entfernter Verwandter des Königs, saß nun auf dem Thron.
    »Gut, daß sie tot sind«, murmelte der Waldhüter und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Zu groß wäre der Jammer gewesen, hätten sie von diesem traurigen Ende erfahren.«
    Er steckte den Ring ein und überlegte, ob er die Gebeine irgendwie beisetzen solle. Doch dann ließ er es sein. Die Zeit war zu knapp, der Bär konnte jeden Augenblick zurückkehren, und soweit er erkennen konnte, befanden sich ohnehin nur wenige Menschenknochen in dem traurigen Häufchen. Was von Maximilian übrigblieb, war inzwischen sicher längst über die ganze Schlucht verstreut. Es war eine armselige Ruhestätte für einen Königssohn, aber er konnte daran kaum etwas ändern.

    Der Waldhüter schüttelte den Kopf, sprach ein kurzes Gebet für die Seele des toten Prinzen und verließ die Schlucht so schnell und leise, wie er nur konnte.
    Wochenlang rang er mit sich, ob er den Ring König Cavor bringen sollte. Doch schließlich behielt er ihn bei sich, ohne so recht den Grund dafür zu kennen.

Der Aufruf
    Fünfzehn Jahre später
    »Spürst du es?« fragte Joseph Baxtor leise. Sein Sohn Garth hob den Kopf, erwiderte den mitfühlenden Blick aus den braunen Augen seines Vaters und nickte knapp. Joseph entging nicht, wie ein Ausdruck von Ekel über Garths Züge huschte. Er war stolz auf den Jungen. Obwohl Garth den Schmerz, die Fäulnis ganz offensichtlich spürte, war er weder
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